Götz Alsmann

Oktober 2014 / Seite 2 von 2

Haben Sie selber dort gespielt?

Ich musste! Man hatte mich auf meiner Reise durch die USA ausgeraubt, Geld musste her. Daher habe ich eine Woche lang in einem dieser abgeranzten Clubs gespielt, hauptsächlich als Aushilfsbassist einer Band.

Den klassischen Boom-Chaka-Boom-Country-Rhythmus?

Na ja, das ist der einzige Rhythmus, den ich am Bass kann. Das war in der Merchant’s Lounge: Ein großer Raum mit einer Galerie, über die es direkt in die Hotelzimmer ging, wo die Schönheitsköniginnen von 1948 wohnten und auf Kundschaft warteten. Wie in den Saloons in den Westernfilmen. Malerisch.

Gibt es auch in Deutschland Orte, die Sie als malerisch bezeichnen würden?

Oh ja, sehr viele. Wir leben in einem tollen Land. Ich bin sehr viel auf Tournee und versuche, von jeder Stadt, in der wir Station machen, möglichst viel mitzubekommen. Außerdem mache ich jedes Jahr einige kleinere Urlaube, in denen ich wandern gehe. Besonders empfehlen kann ich das Sauerland, ein Naherholungsgebiet, gut erschlossen und mit einer Menge Ursprünglichkeit. Es gibt Gegenden, da wandern Sie den ganzen Tag lang und begegnen keiner Menschenseele. Das empfinde ich als echte Erholung.

Tage ohne andere Menschen werden in naher Zukunft sehr rar sein: Sie gehen wieder auf Tour. Vorfreude?

Unbedingt. Das Wunderbare ist, dass wir mit unserer Herrenreisegruppe unter Erwachsenen unterwegs sind. Diese Reife tut sehr gut. Wir können reden und zuhören, das ist enorm wichtig.

Tun sich junge Männer damit schwerer?

Ich auf jeden Fall, ich wäre als junger Mann eine komplette Fehlbesetzung in dieser Band gewesen.

Sie spielen regelmäßig und seit Jahren in vollen Häusern, die Alben verkaufen sich immer besser. Können Sie sich diesen Erfolg erklären?

Das ging Mitte der 90er-Jahre los: Die Resonanz stieg extrem, in Nullkommanichts konnten wir Häuser wie die Kölner Philharmonie oder die Musikhalle Hamburg ausverkaufen. Ich denke, es gab damals zwei Gründe für den Aufschwung. Erstens unsere konsequente Hinwendung zur deutschsprachigen Musik. Zweitens natürlich, dass ich damals anfing, zusammen mit Christine Westermann „Zimmer frei!“ zu moderieren. Diese Show hat fraglos viele Neugierige angelockt, die sich den Fernsehkopp mal von Nahem anschauen wollten. Allerdings: Diese Neugier hält nur für ein Konzert vor. Die Leute kamen aber wieder. Also wird es ihnen wohl gut gefallen haben.

Warum zieht es Sie eigentlich nicht auf Bühnen mit noch mehr Publikum? Eine große Fernsehshow, warum nicht am Samstagabend?

Ich glaube, das Publikum ist skeptisch, wenn man sich als unterhaltender Alleskönner inszeniert. Bei „Zimmer frei!“ funktioniert das, weil das eine kleine Show mit anarchischem Charakter ist. Aber bei einer großen Show mit Quizcharakter will das deutsche Publikum niemanden, der zwischen den Fragen auch noch tanzt und ein Liedchen singt, schauspielt und das Orchester leitet. Selbst Joachim Fuchsberger hatte es als Moderator schwer. Man nahm ihm fast übel, dass dieser gut aussehende und erfolgreiche Schauspieler nun auch noch Quizshows moderierte.

„Wichtig ist, dass man sich nicht verlabert. Meine Band sagt mir dann: Deine neuen zehn Witze sind gut, aber streiche doch bitte drei der alten.“

Wollen die Deutschen eher jemanden, der nur eine einzige Sache perfekt beherrscht?

Vielleicht. Wer mehr kann, macht sich verdächtig.

Denken Sie, dass es im Laufe Ihrer Tour eine perfekte Show gibt?

Das kommt schon vor, ja. Ich lege großen Wert darauf, dass die Show reibungslos funktioniert. Es ist dann Routine im besten Sinn. Und manchmal haben wir dann zusammen als Band Spaß an der eigenen Perfektion. Wichtig ist, dass man sich nicht verlabert. Meine Band sagt mir dann: Deine neuen zehn Witze sind gut, aber streiche doch bitte drei der alten. Sich auf der Bühne komplett zu verquatschen – damit ist in der Showgeschichte nur einer durchgekommen: Dean Martin. Der hat ja kaum noch ein Lied zu Ende gesungen, weil er seine Witze unterkriegen wollte.

Fast wie Otto.

Ja, aber mit großem Orchester hinter ihm.

Es gibt einen alten Fernsehausschnitt von Ihnen im Internet, WWF-Club 1981: Götz Alsmann als Newcomer mit Clark-Gable-Schnauzbart und rosa Sakko. Da reden Sie auch eine Menge, bevor sie einen Song spielen.

Ja, mir wurden aber auch Fragen gestellt. Der Moderator Frank Laufenberg war damals offensichtlich unvorbereitet. Daher musste ich die Initiative übernehmen. Ich kenne diesen Schnipsel auf Youtube. Ich wackele da ständig mit dem Kopf herum. Das sieht sehr komisch aus, aber ich kann das erklären: Ich hatte meine Brille nicht auf, sah nur sehr wenig und konnte nichts fixieren.

Suchen Sie im Internet nach solchen alten Mitschnitten?

Ja, denn ich habe sonst nichts aus dieser Zeit. Ich habe damals nichts mit dem Videorekorder mitgeschnitten, und es ist natürlich eine schöne Sache, Auftritte aus diesen frühen Jahren zu sehen.

Sie sagten damals zu Frank Laufenberg, Rock’n’Roll sei eine „flotte Form von Volksmusik“. Laufenberg war ganz baff.

Ja, der kam sofort mit Heino um die Ecke.

Die Definition verlangt aber auch heute noch nach einer Erklärung.

Interessant, dass ich etwas erläutern soll, was ich vor 33 Jahren im Fernsehen gesagt habe.

Nun, TV ist ein sehr nachhaltiges Medium.

Was ich meinte, war, dass frühe Ausführungen der amerikanischen Rock’n’Roll-Musik stark volksmusikalisch beeinflusst waren: von den Polkabands aus den nordwestlichen Staaten, von den Country- und Bluesmusikern aus dem Süden, von den Klezmer-Gruppen in den großen Städten der Ostküste. Fast alle diese Einflüsse kamen aus Europa in die USA, wobei die Europäer ihre Volksmusik im 19. Jahrhundert selbst vergaßen, weil sie sich der europäischen Salonmusik widmeten und Walzer tanzten. Es waren dann in den USA zumeist die Schwarzen, die die Musik ihrer Herren weiterpflegten und auf diese Art Blues, Jazz und damit auch die Wurzeln des Rock’n’Roll entstehen ließen. Zugrunde liegt diesem musikalischen Schmelztiegel der USA meistens europäische Volksmusik. Der österreichische Musikwissenschaftler Maximilian Hendler hat ganz richtig geschrieben, dass es sich beim Jazz zwar um eine afro-amerikanische Musikform handelt, nicht jedoch um eine afrikanische.

Eine Sache noch Herr Alsmann, Sie haben mit Ihrem Paris-Album eine Trilogie begonnen, nun sind wir am Broadway gelandet. Wohin geht es als nächstes?

Es geht in eine europäische Hauptstadt, in der vorwiegend Deutsch gesprochen wird, die aber nicht in Deutschland liegt.

Also Wien.

(lächelt) Das ist unsere derzeit favorisierte Idee, ja, ohne dass es schon in Stein gemeißelt wäre.

Ich hätte auf Berlin getippt.

Ich glaube, das wäre eher das Album von Ulrich Tukur oder Max Raabe. Berlin – das sind die Lieder aus den 20er- und 30er-Jahren, wobei wir uns als Band tendenziell eher mit Nachkriegskompositionen beschäftigen. Wobei: Wir „bekiebitzen“ uns schon gegenseitig bei unseren Konzerten. Als wir letztes Jahr für drei Abende im Theater am Kurfürstendamm in Berlin gespielt haben, in Harald Juhnkes alter Bude, saß Ulrich Tukur im Publikum. Und als er zwei Wochen später hier in Münster gastierte, war ich, wie der Zufall es wollte, ebenfalls im Theater. (grinst)

Welche Vorlagen bietet Ihnen Wien?

Zum einen habe ich hier Bilder vor Augen, wie wir mit einem mobilen Aufnahmewagen vor herrlichen alten Vorstadttheatern parken. Zum anderen gibt es das dankbare Repertoire der Operetten von Komponisten wie Franz Léhar, Emmerich Kálmán, Nico Dostal, Robert Stolz. Es wird ja immer wieder die Renaissance der Operette beschworen. Noch sieht und hört man davon recht wenig, ich würde mich freuen, wenn neue Operetten geschrieben würden. Man müsste mal...

Sie müssten mal!

Die Idee fängt gerade an, mir zu gefallen. Ich kümmere mich darum.

Zur Person

Götz Alsmann (geboren am 12.07.1957 in Münster) studierte in seiner Heimatstadt Münster Musikwissenschaften und spielte ab Anfang der 80er-Jahre mit seiner Band Sentimental Pounders Musik zwischen frühem Rock’n’Roll, Jazz und Swing. Seit 1988 tritt er unter eigenem Namen auf. Sein Durchbruch als TV-Moderator gelang ihm 1996 an der Seite von Christine Westermann in der WDR-Show „Zimmer frei!“. Mit seiner Band widmet er sich seit Mitte der 1990er-Jahre hauptsächlich und mit steigendem Erfolg dem deutschsprachigen Jazz-Schlager. Götz Alsmann ist seit 33 Jahren verheiratet, hat einen Sohn und lebt weiterhin in Münster.

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