Christiane zu Salm
„Es ist immer besser, etwas zu probieren, statt es aus Angst vorm Scheitern zu unterlassen.“
Zur Person
Christiane zu Salm (auch: Christiane Kofler) stammt aus einer Verlegerfamilie. Nach ihrer Ausbildung zur Verlagsbuchhändlerin beim S. Fischer Verlag studierte sie BWL in München und Harvard. Durch Mitarbeit in der TV- und Musiksparte der Bertelsmann AG, Geschäftsführung bei MTV Central Europe (1998), Gründung der interaktiven Fernsehkanäle 9Live und sonnenklar TV (2001) sowie Verantwortung für den Vorstandsbereich Cross Media bei Hubert Burda Media (2008) wurde sie zu einer der einflussreichsten Medienmanagerinnen des Landes. An der Berliner UdK war sie Gastprofessorin für Medientheorie, bei JP Morgan Senior Advisor. Das World Economic Forum ernannte sie 2002 zum Global Leader for Tomorrow. 2006 wurde sie mit der Eisenhower Fellowship ausgezeichnet. Ihre Erfahrungen als ehrenamtliche Sterbegleiterin legte sie 2013 in dem Buch „Dieser Mensch war ich“ dar. Die Fortsetzung „Weiterleben“ über das Leben der Angehörigen Verstorbener erscheint 2017.
23.08.2016, Rottach-Egern. Auf der Terrasse eines putzigen Cafés am Tegernsee wirkt die Welt an diesem warmen Spätsommertag bedeutend langsamer und analoger, als sich die Laufbahn von Christiane zu Salm liest. Die Medien- und Verlagsunternehmerin, Autorin und Kunstsammlerin vereint Widersprüche. Sie hat MTV, TM3 und 9Live geleitet und als Kapitalgeberin Startups der Neuen Medien gefördert. Sie begleitet ehrenamtlich Sterbende, schreibt wichtige Bücher darüber und erwarb im Frühjahr einen Traditionsverlag. Das klassische Buch schätzt sie wie die Bildende Kunst. Mit THE ARTS+, einer neuen Messe innerhalb der Frankfurter Buchmesse, stellt sie die großen Fragen der Zukunft. Ein Gespräch mit einer Frau, die bewahren will, ohne zu bremsen.
Frau zu Salm, in Ihrer früheren beruflichen Laufbahn sowie jetzt als Co-Founderin der Messe THE ARTS+ waren Sie stets an der Spitze moderner Entwicklungen in Sachen Kreativwirtschaft und Crossmedia – und jetzt liegt da vor Ihnen ein klassischer Terminer aus Papier und Leder.
Immer, wenn ich in Meetings mit anderen Menschen zusammensitze und ein Termin gefunden werden muss, klappe ich meinen analogen Kalender auf und bin schon bereit, während die Herrschaften noch in den Menüs ihrer Handys herumsuchen und sagen: „Moment mal, nur einen Moment.“ Mich interessiert gerade dieser intensive Transformationsprozess zwischen einem analogen Dasein und einer digitalen Kultur, in der wir in Zukunft alle in irgendeiner Form leben werden. Und zwar nicht nur mit Blick auf all die Veränderungen, vor denen wir stehen und in denen wir uns befinden, sondern auch mit Blick darauf, was sich nicht verändert. Mein analoger Kalender verändert sich bis auf weiteres nicht. Er fungiert sogar als Tagebuch, wenn ich mal nachblättern möchte, was ich eigentlich vor drei Jahren am heutigen Tag gemacht habe. Der visuelle Kontext des Handschriftlichen, mit all den Symbolen, Kritzeleien oder Smileys, erhält die Erinnerung besser als jeder digitale Eintrag.
Das gilt für Sie, sogar für mich. Doch die Schreibwarenhändler berichten, das klassische Filofax nicht mehr loszuwerden.
Das ist schade, aber nicht zu ändern. Gleichzeitig plädiere ich dafür, Veränderungen, die unaufhaltsam sind, nicht nur zu akzeptieren, sondern sie auch willkommen zu heißen statt sie zu bekämpfen. Ich bin fest davon überzeugt, dass aus der Kombination von unterschiedlichen Lebenswelten, aus alt und neu, aus traditionell und progressiv, immer wieder gute Dinge entstehen können. Solange sie die menschliche Seele berühren! Die jungen Leute befriedigen mit ihrem digitalen Kalender und der Social-Media-Kultur das gleiche Bedürfnis nach zutiefst menschlichen kommunikativen Aspekten wie jene, die nicht digital aufgewachsen sind. Wir achten viel zu sehr und oft auch unentspannt darauf, was uns alles wohl verloren geht. Aber solange sich das menschliche Gehirn nur in allerkleinsten Schritten weiterentwickelt, mache ich mir keine Sorgen, dass zwischenmenschliche Nähe verloren geht – egal, welche Technologien noch auf uns zukommen.