Aaron Sahr
„Schulden sind immer auch Vermögen.“
Zur Person
Professor Dr. Aaron Sahr, Jahrgang 1984, ist Soziologe und Philosoph. Seit 2014 ist er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Hamburger Institut für Sozialforschung und leitet seit Mai 2019 die dortige Forschungsgruppe „Monetäre Souveränität“. Zuvor studierte er Philosophie, Soziologie und Politikwissenschaft an der Universität Kassel und der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf. 2017 erschien sein Buch „Keystroke-Kapitalismus. Ungleichheit auf Knopfdruck“, in dem er das Dreieck von Privatvermögen, Schulden und ökonomischer Ungleichheit beleuchtet. Für seine Dissertation „Das Versprechen des Geldes. Eine Praxistheorie des Kredits“ erhielt er 2019 den Franz-Xaver-Kaufmann-Preis für Soziologie, der von der Universität Bielefeld vergeben wird.
Wir haben tendenziell immer zu wenig davon, ansonsten gilt die alte Weisheit, dass man darüber besser nicht spricht: Geld. Dass ein Gespräch zum Thema aber durchaus lohnt, beweist Aaron Sahr. Geld ist politisch, der Streit darüber lohnenswert und wichtig – zu wichtig, um das Thema lediglich den Banken oder wenigen Experten zu überlassen. Sachlich, aber engagiert erklärt der Wirtschaftssoziologe, warum wir unsere Vorstellungen von Geld und Schulden dringend überdenken sollten. Aufgaben, die sich mit Geld lösen ließen, gibt es schließlich genug.
Aaron Sahr, angenommen, Sie hätten 30 Sekunden Zeit für eine Erklärung: Was ist Geld?
Geld ist eine Infrastruktur, mit der wir unsere Wirtschaft betreiben. Es ist eine Infrastruktur, die es uns ermöglicht, mit anderen Menschen in Beziehung zu treten. Wenn wir uns bei anderen Menschen verschulden, um die Dinge zu erwerben, die wir für unseren Alltag benötigen, dann müssen wir diese Schulden auch wieder auflösen. Geld ist das System, das diese Auflösung von Schulden ermöglicht.
Wie entsteht es?
Die Frage der Geldschöpfung ist eines der wichtigen politischen Themen, die aus unseren Debatten am beharrlichsten ausgeblendet werden. Es gibt die Vorstellung, Geld sei so etwas wie ein Messinstrument für jemandes Einsatz. Der Philosoph Immanuel Kant sagte, es sei ein Messinstrument für Fleiß. Wir müssen schließlich alle irgendetwas tun, um unser Geld zu verdienen. Daher kursiert die Idee, dass das Geld die Menge an Gütern repräsentiert, die erarbeitet wurden. Wenn wir also mehr Güter produzieren, gibt es auch mehr Geld.