Kino

"Verleugnung" und die weiteren Kino-Neustarts der Woche

Verleugnung
Universum

In „Verleugnung“ spielt Oscar-Gewinnerin Rachel Weisz die Historikerin Deborah Lipstadt, die es vor Gericht mit dem Holocaust-Leugner David Irving aufnahm.

Miss Weisz, stimmt es, dass Sie die von Ihnen gespielte Deborah Lipstadt als „echte Nervensäge“ bezeichnet haben?
Oh ja, aber das meinte ich natürlich auf liebevolle Weise. Sie ist eine Frau, die immer für ihre Überzeugungen eintrat und sich nicht darum schert, ob sie sich dadurch irgendwo unbeliebt macht. Ich finde, es ist eine ganz wunderbare Eigenschaft, wenn jemand kein Problem damit hat, nicht gemocht zu werden. Solche aufrechten Frauen, die auch mal anecken, sieht man gerade im Kino viel zu selten.

Ist es hilfreich oder eher hinderlich, die Frau kennenzulernen, die man verkörpern soll?
Pauschal lässt sich das schwer beantworten, aber im Fall von „Verleugnung“ war es eine große Freude. Bevor der Dreh losging, kam sie nach New York und wir saßen ein paar Tage lang in meiner Küche und quatschten. Sie erzählte gar nicht so sehr von den Ereignissen, um die es im Film geht, sondern aus ihrer Kindheit und von ihren Eltern. Ich hörte nur zu und sog ihre ganze Persönlichkeit auf wie ein Schwamm.

Wie seltsam ist es für Sie als Britin, eine Amerikanerin zu spielen, die nach London kommt?
Ich fand das wunderbar. Als waschechte Londonerin eine Frau aus Queens zu spielen, die befremdet ist vom seltsamen Benehmen der schnöseligen Briten mit ihren Oxford-Gepflogenheiten, hat einen Heidenspaß gemacht. Überhaupt ist das eine der Stärken des Films: dass er trotz seiner alles andere als lustigen Geschichte einen Sinn für Humor hat. Das liegt am wunderbaren Drehbuchautor David Hare. Aber eben auch an Deborah, deren Thema zwar der Holocaust ist, die jedoch vor Witz und Lebensfreude sprüht.

Einige Szenen wurden tatsächlich in Auschwitz gedreht. Wie war das?
Für mich war das eine beeindruckende Erfahrung, denn ich war zuvor noch nie dort. Es ging mir wie Deborah damals: ich konnte und wollte mich an diesem Ort nicht mit Beruflichem befassen.

Verlieh die Tatsache, dass Sie selbst Jüdin sind, dieser Rolle noch mehr Bedeutung?
Eigentlich glaube ich, dass ich dieser Geschichte auch ohne jüdisch zu sein genauso viel Leidenschaft und Verantwortungsbewusstsein entgegengebracht hätte. Aber ich kann nicht leugnen, dass diese Rolle für mich besonders war. Schon weil ich in den all den Jahren zuvor noch nie eine Jüdin gespielt hatte.

Interview: Patrick Heidmann

Unser Fazit:
Auf den ersten Blick ist der wahre Fall (Holocaustleugner verklagt Autorin und deren Verlag) wenig kinotauglich. Doch dank eines smarten Drehbuchs und überzeugenden Schauspielern (neben Rachel Weisz vor allem Timothy Spall als Irving) wird „Verleugnung“ tatsächlich zu einem packend-komplexen Gerichtsdrama über freie Meinungsäußerung und historisches Vermächtnis.


Die weiteren Neustarts dieser Woche:

Abgang_mit_StilAbgang mit Stil
Warner Bros.

Pensionisten, die einen Banküberfall erahnen, planen und durchführen, gehören nicht unbedingt zu den originellsten Filmfiguren, seit George Burns, Art Carney und Lee Strasberg damit 1979 in „Die Rentnergang“ (Originaltitel: „Going in Style“) angefangen haben. Regisseur Zach Braff (genau, J.D. aus „Scrubs“) behauptet das in seiner Komödie „Abgang mit Stil“ auch gar nicht, sondern brüstet sich aus einer gewissen Originaltitelperspektive heraus sogar damit: „Going in Style“. Es gibt ja auch überhaupt nichts zu verbergen an diesem Update, das nicht nur technisch mit den besseren Waffen ausgestattet ist. Auch die Sprüche sind zeitgemäß dunkelbunt und kommen schnell aus den Mündern dreier Schauspieler geschossen – Michael Caine, Alan Arkin, Morgan Freeman, alle jeweils mit einem Oscar ausgezeichnet („Gottes Werk & Teufels Beitrag“, „Little Miss Sunshine“, „Million Dollar Baby“). Ein Trio also, dem klar ist: Ein guter Film steht und fällt im Teamwork, genau wie ein erfolgreicher Banküberfall. Elke Bankert


TBOAN

The Birth Of A Nation
Twentieth Century Fox

Nate Parkers Film steht nicht nur für ein wichtiges Stück US-Geschichte. Sondern auch für den Aufstieg und Fall eines Filmemachers. Es begann alles wie ein Hollywood-Märchen. Beim Filmfestival in Sundance feierte „The Birth Of A Nation“ im Januar 2016 als erster selbst inszenierter Film von Nate Parker, der zuvor als Schauspieler mit Filmen wie „Non-Stop“ oder „Beyond The Lights“ bestenfalls im kleinen Kreis für Aufsehen gesorgt hatte, seine Weltpremiere. Sein Regiedebüt war ein Herzensprojekt: Er selbst spielte darin den Sklaven Nat Turner, der erst im 19. Jahrhundert zu Gott fand und schließlich Anführer eines blutigen Aufstands gegen die weißen Sklavenhalter wurde. Eine wichtige, aber nicht nur von den Geschichtsbüchern ignorierte Episode afroamerikanischer Selbstermächtigung, die nicht zuletzt im von rassistischen Unruhen geprägten Klima des letzten Obama-Jahres in Sundance für stehende Ovationen sorgte. Noch in der gleichen Nacht begann unter amerikanischen Verleihern ein Wettbieten um die Kinorechte, die am Ende für 17,5 Millionen Dollar über den Tisch gingen. Ein neuer Stern am Kinohimmel war aufgegangen, monatelang galt Parker nicht wenigen schon als nächster heißer Oscar-Anwärter. Doch dann wurde zur Schlagzeile, was eigentlich nie ein Geheimnis und sogar schon lange auf Wikipedia zu lesen war: 1999 stand der Regisseur wegen Vergewaltigung vor Gericht, angezeigt von einer Kommilitonin. Sein Freund und „Birth Of A Nation“-Co-Autor wurde damals zu einer Gefängnisstrafe verurteilt, Parker selbst freigesprochen. Als dann allerdings auch noch bekannt wurde, dass das Opfer sich einige Jahre später das Leben genommen hatte, fand die Geschichte von Hollywoods Shooting Star ein jähes Ende. Parker gab bei den wenigen öffentlichen Auftritten, die im zweiten Halbjahr 2016 (unter anderem beim Festival in Toronto) noch folgten, keine besonders gute, weil zu wenig schuldbewusste Figur ab. Die Presse konzentrierte sich noch monatelang auf das Thema, obwohl es durchaus auch über den Film selbst und die erstaunliche Geschichte Nate Turners einiges zu sagen gegeben hätte. Das Aufrollen seiner Vergangenheit hat Parker den frisch erworbenen Ruhm gekostet. Fürs Erste ist er abgetaucht, über neue Projekte des gerade noch umschwärmten Überfliegers ist nichts bekannt. In etlichen Ländern läuft „The Birth Of A Nation“ gar nicht erst an. Doch das bedeutet nicht, dass Parkers zweite Chance nicht bereits wartet. Dass Hollywood gut im Vergeben ist, weiß schließlich nicht nur Mel Gibson.
Patrick Heidmann

Unser Fazit:
Die Geschichte vom Kampf Nate Turners gegen die Unterdrückung durch die Sklaverei erzählt Parker zwar historisch nicht ganz korrekt, aber emotional aufwühlend und nicht zuletzt für einen Debütanten erstaunlich wuchtig und souverän inszeniert. Als Hauptdarsteller allerdings überzeugt er nicht ganz, gerade was die religiös aufgeladene Überhöhung zum Heilsbringer angeht.


Zu_guter_LetztZu guter Letzt
Tobis

Shirley MacLaine wurde im Laufe der Jahre von der Presse und einigen Co-Stars als „unhöflich“, „böse“ und „egoistisch“ beschrieben. Selber nennt sie sich „ätzend“, „ungeduldig“ und „eigentlich noch viel schlimmer“. Nichts davon hat sie abgehalten eine der charismatischsten und lustigsten Darstellerinnen ihrer Generation zu werden. Nun verkörpert sie in Mark Pellingtons Drama „Zu guter Letzt“, passend zu ihrem Ruf, eine herrschsüchtige Karrierefrau. Die unbeliebte Harriet versucht auf den letzten Metern ihres Lebens noch einen schmeichelhaften Nachruf zu erwirken und beauftragt die Journalistin Anne (Amanda Seyfried) mit diesem Unterfangen. Dies erweist sich jedoch als äußerst schwierig, da keiner der Befragten auch nur ein gutes Haar an ihr lässt. Außer MacLaine verfügt dieser Film über wenig Biss und ergießt sich in eher seichten Gefühlswelten und vorhersehbarer Comedy. Dies stellt ihre Einzigartigkeit jedoch umso mehr heraus und lässt den Film zu einer Hommage an sie selbst werden. Nora Harbach


GoldGold
Studiocanal

Im Zweifel alles auf Gold setzen? Was manch einem Sparer in Zeiten steigender Inflation und Niedrigzinspolitik als sichere Anlage gilt, kann täuschen. Spätestens wenn sich herausstellt, dass das, worin man investiert hat, gar nicht da ist. Sturzflug nennt man daher die Entwicklung des Kenny Wells in Stephen Gaghans neuem Film „Gold“. Nachdem der fettleibige Optimist Kenny glaubt, mithilfe eines Bekannten eine vermeintliche Ader des glänzenden Metalls gefunden zu haben und mit seinem Unternehmen zum Wall-Street-Giganten aufsteigt, platzt die Blase – sowohl zur Überraschung der Aktionäre als auch des längst in Saus und Braus lebenden Protagonisten. Unverkennbar fühlt sich der Zuschauer an die Narrative der großen Finanzmarktkrisen in der Moderne erinnert. Eine anregende Diskussion dieses Sujets bleibt allerdings aus. Nur eines ist in diesem netten Unterhaltungsfilm überragend: Man kann erneut die Wandelbarkeit und schauspielerische Brillanz von Matthew McConaughey in der Hauptrolle bewundern. Björn Hayer