Kino

Race – Zeit für Legenden

Universum · 28. Juli

Nein, das ist nie schön, wenn die Realität die auf historischen Begebenheiten beruhende Fiktion eines Films einholt. Zum Beispiel, wenn AfD-Sprecher Gauland nur ganz vielleicht gar nicht gesagt hat, dass den deutschen Nationalspieler Jerome Boateng zwar alle toll finden, ihn aber niemand zum Nachbarn haben will, während im Kino ein Film namens „Zeit für Legenden“ anläuft, der von Jesse Owens bei den Olympischen Spielen im Berlin des Jahres 1936 handelt. Wie verbissen kneift doch Barnaby Metschurat als Joseph Goebbels die eh schon schmalen Lippen zusammen, weil das deutsche Volk dem schwarzen Läufer und Weitspringer bei jeder seiner vier Gold-Medaillen begeisterter zujubelt. Es ist ganz schön traurig zu wissen, dass es solche Filme geben muss, um nicht nur wahlberechtigten, sondern sogar zur Wahl stehenden Menschen die Augen zu öffnen. Dabei geht es den Machern von „Zeit für Legenden“ gar nicht nur darum, den Gaulands & Co in Europa den Spiegel vorzuhalten, sondern vor allem auch den Supremacisten in den USA. Mit Szenen etwa, die zeigen, wie Owens (Stephan James) Hand in Hand mit dem deutschen Lauf-Konkurrenten Luz Long (David Kross) eine Ehrenrunde im Stadion dreht, während ihm im New Yorker Waldorf Astoria der Zutritt zur eigenen Siegesfeier via Vordertür verweigert wird. Zu jeder anderen Zeit wäre dieser Film, der seine anti-rassistische Botschaft allzu betont vor sich herträgt, unter seiner pädagogisch wertvollen Last wohl zusammengebrochen. Hier und jetzt aber ist „Zeit für Legenden“ ein Film, der mit genau der richtigen Mischung aus Spektakel und nachdrücklicher Aussage den Zusammenhalt und die Zivilcourage Einzelner feiert.

Edda Bauer