Musik

Neuerscheinungen der Woche

Arcade Fire - Everything Now

Columbia (Sony), 28.07.2017

Arcade Fire, das war zu Beginn der Karriere eine Band, die das ganz große Drama auf die Bühne brachte: Bis zu einem Dutzend Musiker spielten euphorisch-traurige Musik über die Probleme des Jungseins. Im Zentrum: Régine Chassagne und Win Butler, beide heirateten früh und erlebten, wie ihre Band immer größer und größer wurde. „Everything Now“ ist das fünfte Album der Gruppe. Schon die Werke zuvor hatten nur noch wenig mit Radaurock zu tun, die letzte Platte klang wie ein fiebriger Voodoo-Disco-Traum. Das Titelstück des neuen Albums legt nun wieder eine andere Fährte: Plötzlich klingt die Band nach ABBA, sogar Panflöten gab es zu hören, ein Instrument, das nur noch in der Fußgängerzone von Groß Gerau für Begeisterung sorgt. Was hat diese Band vor? Nun, Arcade Fire haben den Pop für sich entdeckt, wahlweise beeinflusst von Electro, Funk oder Soul. Das Besondere: Win Butler ist so wenig ein Soul-Sänger wie Groß-Gerau eine Kulturmetropole. Das Konzept muss also scheitern – und ist deshalb so grandios. André Boße


Zwanie Jonson - 11 Songs For A Girl

Staatsakt, 28.07.2017

Zwanie Jonson Zwanie, so heißen doch keine Popstars, so heißen höchstens die... Schlagzeuger. Ja, und ein solcher war dieser Typ früher auch, spielte für Fettes Brot und Wolf Maahn. Dann wechselte der Hamburger die Seiten, unter dem Namen Zwanie Johnson erschien Christoph Kählers erstes Album, damals war er schon Mitte 40. Jetzt hat er die 50 geknackt, und eine neue Platte steht an. Rückenwind gab ein Titel auf dem Soundtrack des Films „Victoria“, der DJ Koze-Remix seines Stücks „Golden Song“ war ein Favorit im guten Radio und in coolen Bars, Johnson bekam unbändige Lust auf eine neue Platte – und die liegt nun vor: „11 Songs For A Girl“ bietet eine kleine Revue mit elf Liedern für ein Mädchen, das von Johnson bezirzt und hofiert, geliebt und verlassen wird. Die Musik ist eine sehr gekonnte Mischung aus Pop, Soul und Disco, ohne eine Großraumdisco zu meinen. Das intime Album gehört eher in die Lounge. Was ihm fehlt, sind Ecken und Kanten. Aber diese abzuschleifen, gehört zur Mission des Zwanie Jonson. André Boße


Manchester Orchestra - A Black Mile To The Surface

Loma Vista/Caroline, 28.07.2017

Mit jedem neuen Manchester Orchestra-Album hat das Quintett aus Atlanta ein bisschen seines jugendlichen Sturm und Drangs eingebüßt – ohne dabei den um die Ecke gedachten Songs die Kanten zu rauben. Wo Sänger Andy Hull früher aber die Satzenden gerne mit Innbrunst herausbrüllte, ist der frisch gebackene Vater heute ausnahmslos bei melodieversiertem Klargesang angekommen. Dass die Rocksongs nun noch etwas mehr auf Song denn auf Rock betont werden, hat auch mit Hulls Soundtrack-Arbeit zu „Swiss Army Man“ zu tun. Zusammen mit Bandkollege Robert McDowell schrieb er für den Film ausschließlich A-Capella-Stücke, die hörbar auf die wunderschön reduzierten Folksongs „The Parts“ oder „The Alien“ abfärbten. An anderer Stelle lässt „A Black Mile To The Surface“ nach wie vor auch opulente Gitarrensongs zu („The Moth“, „The Grocery“), die in der Summe klingen, wie die beste alternative Musik eines Vaters Anfang 30, bei dem die Welt in Ordnung ist und die abgeschüttelte Adoleszenz völlig obsolet wurde. Daniel Thomas


Herb Alpert - Music Vol. 1

Herb Alpert Presents, 28.07.2017

Ein Sixties-Pärchen, das händchenhaltend über Bächlein springt und durch Blumenwiesen spaziert, dazu sanfte Blasmusik: mehr Kitsch als im Video zu Herb Alperts Megahit „This Guy's In Love With You“ ist kaum denkbar. Der Komponist, Trompeter, achtfacher Grammy-Gewinner und Gründer des Plattenlabels A&M Records hatte schon vor 50 Jahren ein Händchen für gut gemachten Easy Listening – Musik ohne viel Tiefgang, der man dafür jedoch nie böse ist. So verkaufte Alpert mehr als 70 Millionen Platten. Konsequenterweise erfindet der US-Amerikaner sich auch im Alter von 82 Jahren nicht neu, sondern interpretiert nun Jazz-Standards von Irving Berlin und George Gershwin neben Neuerem von Jason Mraz und John Lennon. „Michelle“ im leicht verdaulichen Swing-Arrangement mag Beatles-Fans missfallen. Auf Albumlänge ist „Music Vol. 1“ mit seinem Mix aus Jazz, Funk, Bossa Nova und sogar Elektro-Swing, wenig abwechslungsreich. Dennoch ein wohltemperierter Sommercocktail für die unkomplizierte Poolparty-Beschallung. Jan Paersch