Literatur

Lauren Groff

Licht und Zorn

Hanser · 22. August

Eine Empfehlung gab es beispielsweise von Barack Obama. Der sagte, „Fates And Furies“ – so der amerikanische Titel – sei sein Lieblingsbuch des Jahres 2015. Sollte man es deshalb lesen oder gerade nicht? Nun, es bleibt festzustellen, aus einem US-Präsidenten wird so schnell kein Marcel Reich-Ranicki, dessen Urteil man, wenn man denn könnte, dazu lieber hören würde. Doch auch wenn „Licht und Zorn“ nicht unbedingt das Zeug zum Lieblingsbuch hat, ist es doch vor allem ein literarisches Fest, weil Lauren Groff versteht, was Autoren inzwischen oft abhandengekommen ist: Sie sucht nach einer eigenen Sprache, aber ohne Zwang und ohne Attitüde. Eine Frau, ein Mann, das ist die Geschichte, die beiden sind verheiratet und in New York zuhause. Die Freunde geben Lotto und Mathilde kaum eine Zukunft, doch gerade aus seiner Verschiedenheit entwickelt das schillernde Paar eine tiefe Leidenschaft. Distanz und Nähe auszuloten, das war noch nie leicht. Und zu jeder Beziehung gehören zwei Perspektiven: Was der eine für wahr hält, sieht der andere nicht selten ganz anders. Vielleicht beginnt die Lüge schon da, wie wir den Partner anschauen, weil wir ihn uns so denken, wie wir ihn gerne hätten, aber nicht, wie er ist. Doch was ist so falsch an der Illusion? Und was an der Lüge? Muss man sich wirklich alles erzählen? Manchmal gründet das Wunder einer idealen Ehe nicht in der Aufrichtigkeit, sondern im Verschweigen. Das Dilemma aber bleibt: Geheimnisse verleihen Macht über die Uneingeweihten. Nicht in ein Geheimnis eingeweiht zu sein, kann Leid mit sich bringen – das Wissen um ein Geheimnis andererseits aber auch Bestürzung und Verwirrung auslösen, Nähe zerstören und jede Hoffnung. In den USA war Lauren Groffs Roman einer großen Liebe der Bestseller des Jahres. Bestürzend ist seine Wahrhaftigkeit.

Sylvie-Sophie Schindler