Kino

Heimatland

Arsenal · 28. Juli

Eines Tages ist sie plötzlich da. „Wolke der Schande“ nennen sie manche. Sie ist da. Und sie verschwindet nicht mehr. Mehr noch: Sie wird ausbrechen. Die Nachrichten vermelden: „Die gebildete Wolke ist nicht vom Ausland in die Schweiz gekommen, sondern hat sich im Land selbst gebildet.“ Damit ist klar: Man kann die Angelegenheit nicht anderen in die Schuhe schieben. Es wäre so einfach. Und so üblich. Nicht nur in der Schweiz, von der hier die Rede ist. Die von der Psychologie so genannte „Schuldabweisung“ ist ein weit verbreitetes Phänomen, es existiert von Mensch zu Mensch, von Land zu Land. Und es entsteht unter anderem, weil der Anspruch an die eigene Perfektion so weit geht, dass „etwas falsch machen“ schlichtweg nicht vorstellbar ist, nicht vorkommen darf. Und die Schweiz, ist sie denn nicht im Grunde das perfekte Land? Sie war es einmal, wie 2013 der Journalist Peer Teuwsen in einem Essay in der „Zeit“ schrieb: „In unserem Selbstverständnis, ein auserwähltes Volk zu sein, diesem Selbstverständnis, das manchem Eidgenossen zu einem ungeheuren Selbstvertrauen geronnen ist, flackert die Angst. Die Angst vor dem Statusverlust, vor dem Fall aus dem Himmel.“ Es drohe eine neue Schweiz. Sie komme schleichend. Die furchteinflößende Wolke in „Heimatland“ ist ein Symbol dafür. Und offenbart die größte Sorge: dass die Schweiz schon bald vollkommen abhängig von anderen Staaten sein könnte. Zehn junge Autorenfilmer untersuchen diesen Zustand der allgemeinen Verunsicherung. Sie beleuchten Menschen, Mentalitäten und Milieus und verweben diese persönlichen Episoden zu einer beklemmenden Geschichte. Ein sehenswertes Psychogramm.

Sylvie-Sophie Schindler