Literatur
Buchvorstellungen der Woche
Norman Ohler - Die Gleichung des Lebens
KiWi, 07.09.2017
Preußenkönig Friedrich II., im Jahr 1747 noch kein „Alter Fritz“, hat eine Vision: Die weitläufige Sumpflandschaft östlich von Berlin soll Weideland für Vieh und Ackerflächen für den Kartoffelanbau weichen. Leonhard Euler, eigenbrötlerisches Mathematikgenie mit Großfamilie und Augenklappe, soll ihn mit seinen Rechenkünsten bei dem Mammutprojekt unterstützen. Doch unter den wendischen Fischern, die seit etlichen Generationen im Einklang mit der Natur leben, regen sich Widerstand und Zwietracht. Der Tod eines französischen Ingenieurs weckt Eulers kriminalistische Instinkte – und lässt ihn selbst zwischen die Fronten geraten. Von den gepuderten, kühl kalkulierenden Strategen am preußischen Hof bis zu den urtümlich mautschenden „Hechtreißern“ des Oderbruchs portraitiert Normal Ohler die Welt des 18. Jahrhunderts mit feinem Strich. Seine besondere Leistung liegt aber darin, der ebenso langen wie traurigen Tradition des rücksichtslosen Raubbaus an der Natur ein eindrückliches Denkmal zu setzen.
Hendrik Heisterberg
Ha Jin - Der Unruhestifter
Arche, 08.09.2017
Spätestens seit Donald Trump Präsident ist, sind Worte wie Lügenpresse und Fake-News so allgegenwärtig wie rechtspopulistische Politiker selbst. Dieser Problematik widmet sich Autor Ha Jin. Feng Danlin ist der titelgebende Unruhestifter, der als Reporter einer New Yorker Nachrichtenagentur für eine Webseite schreibt, die Chinesen im Exil mit Nachrichten versorgt. Als er von seinem Chef den Auftrag bekommt, seine Exfrau auszuspionieren, die sich als literarischer Star etablieren will, steckt er plötzlich mitten in den diplomatischen Beziehungen zwischen China und den Vereinigten Staaten von Amerika. Dass er seinen Grundsatz „Wenn ein Schiff voller Lügen am Horizont auftauchte, würde ich der Welt davon berichten, ganz gleich, unter welcher Flagge es fuhr“, trotz immensen Drucks aufrechterhält, bleibt nicht ohne Folgen. „Der Unruhestifter“ ist eine großartige Satire, die ein schillerndes Porträt des korrupten Umgangs mit der Wahrheit und der Bedeutung von unabhängigen Idealisten zeichnet.
Katharina Raskob
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