Musik

Album der Woche

Steven Wilson - To The Bone

Caroline/Universal · 11. September

Steven Wilson hat sich nicht nur als Kopf der Band Porcupine Tree einen Namen gemacht, sondern gilt längst auch solo als eine der interessantesten Gestalten des Progrock.

Was haben Sie gegen Facebook?
Nichts, ich habe nur etwas dagegen, wie Menschen es benutzen. Wenn ich singe: „I'm tired of Facebook“, dann geht es mir um die dortige Entfremdung. Soziale Netzwerke vermitteln Menschen das Gefühl, miteinander verbunden zu sein, dabei haben sie in Wahrheit viel Unsoziales.

Als Künstler haben Sie trotzdem Profile in den sozialen Medien.
Das stimmt. Ich nutze sie nicht privat, aber wenn ich einer halben Million Menschen auf einmal mitteilen möchte, dass es einen neuen Song von mir gibt oder eine Tour ansteht, dann ist Facebook die einfachste Möglichkeit. Ich interagiere aber nicht, lese nicht einmal die Kommentare. Das wird sicher manche Fans enttäuschen, aber ich glaube fest daran, dass man sich als Künstler von den Meinungen anderer Menschen freimachen muss.

Ein Kommentar, den Sie kürzlich verpasst haben, steht unter dem Video zum neuen „Song Of I“, den Sie zusammen mit Sophie Hunger aufgenommen haben. Ihnen wird vorgeworfen, Sie würden jetzt „nur noch Musik für Frauen“ machen.
(lacht) Im Ernst? Das nehme ich als Kompliment. So ein Kommentar sagt mehr über den Menschen aus, der ihn hinterlassen hat als über mich. Ich habe nie Musik ausschließlich für Männer gemacht, im Gegenteil. Es geht um menschliches Erleben – Gefühle wie Einsamkeit, Glück, Wut, Freude oder Sehnsucht spüren wir doch alle. Ich hatte immer schon eine starke weibliche Seite, so wie die meisten Menschen. Mein letztes Album „Hand. Cannot. Erase.“ habe ich komplett aus weiblicher Sicht geschrieben. Ich weiß also nicht, was er meint.

Er klang wie ein Prog-Fan, dem das nicht passt, was Sie zu Ihrem neuen Album als „Smart Pop“ bezeichnen.
Männer mögen also keinen Pop? Mich haben schon früher Alben fasziniert, die oberflächlich betrachtet sehr eingängig und simpel waren, hinter denen aber eine große Musikalität steckte. Alben von Künstlern wie Kate Bush, Peter Gabriel, Tears For Fears, Depeche Mode oder Prince. Selbst „Thriller“ von Michael Jackson geht unter der kommerziellen Oberfläche sehr tief. Das war auch mein Ziel bei „To The Bone“. Ich habe den technischen Prog und den Konzeptrock etwas in den Hintergrund geschoben, um mich stärker aufs Songwriting zu konzentrieren. Das war gar nicht so leicht. Ich neige dazu, sehr lange Stücke zu schreiben. Denselben Inhalt in einem kürzeren Song unterzubringen, war eine Herausforderung. Ich glaube aber, es ist mir gelungen.

Interview: Britta Helm

Unser Fazit:
„To The Bone“ könnte das Album sein, das Steven Wilson auch Menschen mit internetgeschult kurzer Aufmerksamkeitsspanne schmackhaft macht. Songs wie „Pariah“ (mit der israelischen Musikerin Ninet Tayeb) oder „Song Of I“ (mit der Schweizerin Sophie Hunger) stehen mehr denn je für sich; düstere Texte und komplexe Strukturen halten den verhassten Radiopop aber weiter auf Distanz.