Musik

Album der Woche

Bill Murray, Jan Vogler and Friends - New Worlds

Decca/Universal · 29. September

New Worlds Schauspieler Bill Murray und Star-Cellist Jan Vogler lernten sich vor vier Jahren zufällig bei einem Flug von Berlin nach New York kennen und wurden schnell Freunde. Mit großem Interesse tauchten sie in die Welt der Kunst des jeweils anderen ein. So entstand die Idee zu dem gemeinsamen Projekt „New Worlds“, bei dem sie die großen Werke der Musik und der Literatur zu einem Gesamtkunstwerk verbinden.

„Ich habe Jan mit seinem Cello im Sicherheitsbereich gesehen und ihn gefragt: ‚Entschuldigen Sie, meinen Sie, sie bekommen dieses Ding in das Gepäckfach?’ und er schaute mich an als wäre ich ein Affe und sagte: ‚Das hat seinen eigenen Sitz. Und zwar den Fensterplatz“, beschreibt Bill Murray die erste Begegnung mit Jan Vogler. Der anstehende Flug legte den Grundstein für eine tiefe Freundschaft. An einem sonnigen Junitag 2016 erhält Vogler dann eine Nachricht von Murray, in der er ihn auffordert ihn um fünf Uhr nachmittags an der Brooklyn Bridge zu treffen. Was Vogler dort erwartet, ist der jährliche ‚Poetry Walk‘ des Poets House über besagte Brücke. „Es war wunderschön und seltsam romantisch. Arbeiter und Polizisten haben eine kurze Pause eingelegt und sich uns angeschlossen, um den Gedichten zuzuhören, die am Fuße der Brücke vorgetragen wurden. Mein Highlight war aber ohne Frage Bills Lesung von Walt Whitman. Es hat sich angefühlt, als wären die Worte plötzlich lebendig und sprächen zu uns.“ Das große Interesse der beiden für die jeweilige Arbeit des anderen ließ die Idee nach einem Abend im Zeichen der Musik, der Literatur, der Poesie und der Freundschaft entstehen. Sozusagen eine Feier der großen amerikanischen Kultur, die so oft nach Europa reicht und damit Brücken zwischen den beiden Kontinenten baut. Genau das soll der Sinn hinter „New Worlds“ sein: Brücken bauen in einer Zeit, in der das Einreißen ebendieser Überhand zu nehmen scheint. Bill Murray beschreibt die Idee des Projekts als eine „Kollision zwischen Amerika und Europa“, was sich in Teilen in den Biografien der verschiedenen Mitglieder widerspiegelt. Neben Murray und Vogler sind Mira Wang als Violinistin und Vanessa Perez als Pianistin Teil von „New Worlds“. „Wir kommen von vier unterschiedlichen Kontinenten. Und wenn diese vier Kontinente aufeinandertreffen, dann bewegt sich die Musik über die eine Halbinsel direkt zur nächsten und zurück. Es ist also eigentlich nur ein kurzer Weg von einem Kontinent zum nächsten“, so Murray. Den Anfang des Albums bildet eine Verbindung von Bachs weltberühmter Cello Suite in G-Dur und den Auszügen aus den Werken „Song Of Myself“ und „Song Of The Open Road“ des amerikanischen Literaten Walt Whitman. Während Vogler mit seiner gefühlvollen Interpretation des großen Barock-Komponisten einmal mehr beweist, warum er zu den größten Cellisten der Gegenwart zählt, rezitiert Bill Murray die Gedichte Whitmans und lädt mit Nachdruck auf diese wirklich außergewöhnliche Reise ein: „Allons! Whoever you are come travel with me! Traveling with me you find what never tires.“ Diese mitreißende Eröffnung wurde ganz bewusst von den Mitwirkenden gewählt. „Für uns steht der Anfang des Programms mit Bach und Whitman für die genialen, universellen Genies. Whitman ist für mich einer der größten Poeten aller Zeiten – auch global gesehen. Und Bach in seiner Sparte eben auch. Das heißt, wir fangen mit zwei kurzen Stücken an, die das Leben zunächst im Allgemeinen ansprechen und dann immer spezifischer werden“, erläutert Jan Vogler. Das Besondere am Ansatz von „New World“ ist, dass Murray und Vogler sich dazu entschieden haben, Rezitation und Musik nicht voneinander zu trennen, sondern stattdessen zu kombinieren. Und das funktioniert außergewöhnlich gut. James Fenimore Coopers „The Deerslayer“ wird beispielsweise von Schuberts Andante aus dessen Trio Nr. 1 in B-Dur untermalt. So finden zwei Künstler, die in ihrem Metier jeweils als Meister der Naturbeschreibungen gelten, schließlich zusammen. Mit „It Ain’t Necessarily So“ oder „When Will I Ever Learn To Live In God“ stellt Murray außerdem sein Talent als Sänger unter Beweis und hat es keinesfalls nötig, sein Licht unter den Scheffel der zahlreichen großartigen Mitmusiker zu stellen.

Fazit:
„New Worlds“ ist kein Album für nebenbei. Das Projekt von Cellist Jan Vogler und Schauspieler Bill Murray erfordert volle Aufmerksamkeit. Nur bei genauem Hinhören eröffnen sich die außergewöhnlichen Verbindungen, die zwischen Musik und Literatur geschaffen wurden und so beides in neuem Licht erstrahlen lassen. Man möge mit den Werken Whitmans und Twains vertraut sein, aber „New Worlds“ eröffnet als Gesamtkunstwerk völlig neue Blickwinkel und Perspektiven.

Katharina Raskob