Musik

29.09. | Album der Woche

Landgren/Wollny/Danielsson/Haffner • 4 Wheel Drive II

ACT Music · 29. September

29.09. | Album der Woche - Landgren/Wollny/Danielsson/Haffner • 4 Wheel Drive II

Foto: ACT / Harald Nilsson


Nicht von dieser Welt

Michael Wollny, Lars Danielsson, Wolfgang Haffner und Nils Landgren zugleich zum Gespräch vor sich zu haben: Das ist beinahe so, als wäre man mit den Avengers des europäischen Jazz verabredet. Hier treffen vier begnadete Improvisateure, Komponisten und Ausnahmemusiker mit spürbarem Teamgeist aufeinander — wie man auf dem neuen Album »4 Wheel Drive II« hören kann.

Michael Wollny hat die verschiedenen Pha­sen einer Band einmal mit jener einer Be­ziehung verglichen. Wo befinden Sie sich als Band, die gerade ihr zweites gemeinsames Album fertiggestellt hat, gerade?

Danielsson: Mein Vertrauen in diese Band und das, was sie schaffen kann, ist noch weiter gewachsen. Wir kannten uns alle bereits vor dem ersten Album, haben auch in diversen Konstellationen miteinander gespielt – aber eben nie alle zusammen in einer Band. Nach so vielen gemeinsamen Konzerten hat sich unser Zusammenspiel stetig weiterentwickelt und das hört man dem neuen Album definitiv an.

Wie würden Sie den Arbeitsprozess der Band beschreiben?

Wollny: Diese Band lädt geradewegs dazu ein, sich ohne Erwartungen an die Arbeit zu machen. Normalerweise hat man eine Vorstellung, wohin ein Stück gehen soll, egal, ob es sich dabei um eigene Musik oder ein Coverstück handelt. Hier wusste ich aber nie, was passieren würde – und zwar bis wir den Aufnahmeknopf drückten. Ich wusste nur, dass ich den anderen voll vertrauen konnte. Sie sind wahre Meister darin, Ideen zu verstehen und sie großartig klingen zu lassen. Das ist ein solcher Luxus!

Haffner: Bei uns kann alles passieren, aber nichts muss. Das ist pure Freiheit, und zwar sowohl auf, als auch abseits der Bühne.

Danielsson: Deshalb habe ich auch keine Angst, Fehler zu machen. Weil ich weiß, dass, wenn ich einen Fehler mache, sich ein anderer diesen Fehler nimmt und ihn zu etwas Gutem macht.

Haffner: Du machst Fehler? (alle lachen)

Landgren: Man sollte das Wort Fehler ohnehin nicht zu oft in den Mund nehmen. Ein Fehler ist etwas, das die Musik in eine Richtung bringt, in die sie sonst nie gekommen wäre. Wenn man das versteht, wird aus jedem Mistake ein Take.

Das klingt nach einem sehr intuitiven, aben­teuerlustigen Zugang.

Wollny: Vor der Aufnahme gibt es jene Phase, in der man versucht, zu antizipieren, was passieren wird, welche Musik man mitbringen sollte. Aber sobald die Aufnahme läuft, nimmt es meistens eine ganz eigene Energie an.

Haffner: Wo auch immer es uns am Ende hinführt: es wird okay sein. Egal, wo der Startpunkt ist, wir werden schon irgendwo hinkommen. Lasst uns einfach diese Reise genießen.

Landgren: So geht es mir im Leben ganz all- gemein. Ich habe einen sehr schlechten Orientierungssinn. Ich gehe los und komme schon irgendwie an, aber meistens dauert es länger.

Lassen Sie uns über die Auswahl der Cover­stücke sprechen – aktuelle Popstücke kom­ men nicht vor, der jüngste Song (»Fields of Gold« von Sting) stammt aus dem Jahr 1993. Gab es in der Auswahl einen roten Faden?

Haffner: Die Stücke auf dem neuen Album gehören zum Soundtrack meines Lebens. Das war auch beim Vorgängeralbum so, auf dem wir Phil Collins interpretierten. Michael und ich teilen eine große Liebe zu ihm und Genesis. Auf dem neuen Album ist es vor allem Elton John. Sein Album »Don't Shoot Me I'm Only The Piano Player« war eines der ersten, die ich je gehört habe. Was für ein großartiger Albumtitel!

Wollny: Ich bin eher mit Musik wie Björk und Radiohead aufgewachsen. Diese Stücke gibt es schon so lange, dass man sie als Klassiker einordnen kann. Sie sind immer schon da gewesen, man kennt sie in und auswendig und kann im Rahmen des Songs ganz frei miteinander kommunizieren. Ich denke, dass diese zeitlose Qualität der Grund war, warum wir uns für die Stücke entschieden haben. Es war interessant zu sehen, was wir aus diesen Stücken machen konnten. An der Oberfläche mögen sie teils recht simpel erscheinen, aber sie haben diese versteckte Qualität. Es ist spannend, sie kennen zu lernen und sich zu eigen zu machen.

Man hört bei Ihnen die gegenseitige Wertschätzung heraus. Landgren: Jedes Mal, wenn wir uns treffen, muss ich mich in den Arm kneifen. Einfach, weil es so eine wunderbare gemeinsame Reise ist. Ich sitze etwa da und höre Michael Wollny beim Spielen zu: Das ist einfach nicht von dieser Welt. Diese Gruppe ist ein großes Ganzes, aber jeder einzelne bringt unsere Musik an Orte, an die ich selbst gar nicht denken würde.


Landgren / Wollny / Danielsson / Haffner

Landgren/Wollny/Danielsson/Haffner
4 Wheel Drive II

Act, ab 29. September

Eines haben alle Stücke auf »4 Wheel Drive II« des Allstar-Projekts von Nils Landgren, Michael Wollny, Lars Danielsson und Wolfgang Haffner gemeinsam: Die Lust am Abenteuer, an der Improvisation und am gemeinsamen Erkunden. Dies gilt sowohl für die Eigenkompositionen als auch für die Coverstücke – diesmal stehen etwa Songs von Simon & Garfunkel, Sting und Elton John auf dem Programm. Songs, die längst als Standards des Pop-Songbooks gelten, nehmen hier überraschende Wendungen und zeigen neue Facetten.

Markus Brandstetter