Literatur

Daniel Kehlmann
Lichtspiel
gelesen von Ulrich Noethen
Argon, 12 Std. 19 Min.

Daniel Kehlmann (»Die Vermessung der Welt«) probierte sich in jüngerer Vergangenheit als Drehbuchautor aus, u.a. für Daniel Brühls Regiedebüt »Nebenan«. Dieses Interesse am Medium Film mag auch der Grund sein, weshalb sein neuer Roman »Lichtspiel« niemand Geringeren als den österreichischen Regisseur G. W. Pabst beleuchtet. Ihm hat die Welt expressionistische Klassiker wie »Die Büchse der Pandora« zu verdanken, deren Erfolg über den Atlantik nach Hollywood schwappte. Als die Nazis in Deutschland die Macht ergreifen, befindet sich Pabst bereits unter kalifornischer Sonne und dreht »A Modern Hero«. Der Film floppt. Selbst Stars wie Greta Garbo, der er zu ihrer Größe verhalf, können keine zweite Chance für ihn in der Traumfabrik erwirken. Wider besseres Wissen kehrt er für einen Familienbesuch nach Österreich zurück, als dort bereits die Hakenkreuzflaggen wehen. Die Brutalität des Regimes ist deutlich zu spüren. Goebbels will das Filmgenie für seine Propagandamaschinerie vereinnahmen – und verspricht viel. Wie Pabst sich rettungslos in einen faustischen Pakt verstrickt, fängt Kehlmann mit einer lebhaftbildlichen Sprache, pointierten Dialogen und aus der Perspektive vieler unterschiedlicher Figuren ein. Deren Innenansichten wiederum variieren in ihrer psychologischen Raffinesse stark. »Lichtspiel« liest sich zuweilen selbst wie das Drehbuch zu einem durchaus spannenden Film über die Schuldfrage, der seiner hohen Ambition aber nur streckenweise gerecht wird.