Musik

20.10. | Album der Woche

Bombay Bicycle Club • My Big Day

Awal · 20. Oktober

20.10. | Album der Woche - Bombay Bicycle Club • My Big Day

Foto: Jen Ewbank


Kein Raum für Nostalgie

Kann man einen Blick zurück in die Vergangenheit werfen, ohne sich in nostalgischen Gefühlen zu verlieren? Dieser Frage widmen sich Bombay Bicycle Club auf ihrem sechsten Studioalbum "My Big Day".

Ed Nash, 2020 habt ihr mit "Everything Else Has Gone Wrong" euer fünftes Album veröffentlicht, kurz bevor die Welt sich in den Lockdown verabschiedete. Die Arbeit an eurer aktuellen Platte begann während der Pandemie. Welchen Einfluss hatte dieser globale Stillstand auf die Arbeit an "My Big Day"?

Erstmal war es ein ziemlicher fordernder Prozess, die Band wieder zusammenzubringen – in vielerlei Hinsicht, aber vor allem emotional. Immerhin hatte es davor Pausen gegeben, wir hatten unsere Soloprojekte. Durch die Pandemie standen wir weniger unter Zeitdruck, konnten das Ganze langsamer angehen als üblich. Ein Aspekt, der sich rückblickend positiv ausgewirkt hat, sowohl auf die Entstehung des Albums als auch auf uns als Band. Es war eine Achterbahnfahrt, aber wir haben dadurch eine neue Form der Wertschätzung gelernt.

Eine Achterbahnfahrt, für die ihr u.a. Chaka Khan gewinnen konntet. Mit der Funk- und Soul-Legende habt ihr den Song "Tekken 2" aufgenommen. Hand aufs Herz: Wie schwierig war es, sie von einer Zusammenarbeit zu überzeugen?

Überraschenderweise war das der leichteste Teil der ganzen Arbeit. Aber eigentlich haben wir das Damon Albarn zu verdanken! Ursprünglich sollte er auf "Tekken 2" zu hören sein, aber sein Part passte nicht zu dem Song, woraufhin er meinte, wir sollen Chaka Khan fragen. Zugegeben: Am Anfang hielten wir das für ziemlich unrealistisch. Bei einer Legende wie ihr denkt man sofort, dass sie eine Diva ist und eine Zusammenarbeit kompliziert werden könnte. Aber im Gegenteil: Sie war sofort Feuer und Flamme. Unser Sänger Jack ist dann zu ihr nach L.A. geflogen, um ihren Gesangspart aufzunehmen. Von ihr kam dann auch die Idee, ein Musikvideo zu drehen...

...in dem Videospiele einen in die eigene Jugend zurückkatapultieren. Überhaupt scheinen sich jugendliche Leichtigkeit und der Blick in die Vergangenheit wie ein roter Faden durch "My Big Day" zu ziehen: Für das Video zu "Turn The World On“ habt ihr das Kinderzimmer eures Sängers nachgestellt, in "Diving" illustriert ihr die Erinnerungen an den Sommer, den man mit 15 erlebt. Welche Rolle spielt Nostalgie dabei?

In unserer Musik steckte schon immer die Reflektion bestimmter Lebensphasen. Mit Anfang 20 war unser Blick ein anderer als heute. Wir werden älter, gründen Familien – oder denken zumindest darüber nach. Allerdings geht es weniger um unser persönliches Wachstum, als vielmehr um die Veränderungen, die wir in unserem Umfeld wahrnehmen: beispielsweise unsere Kinder aufwachsen zu sehen. Irgendwann wirft man einen Blick zurück, zieht Bilanz. Die Songs erzählen von den Momenten des Zurückschauens, handeln aber auch von der Zukunft. Ich würde daher nicht sagen, dass "My Big Day" zu sehr in diesem nostalgischen Gedanken verhaftet ist.

An welchem Punkt kann Nostalgie zum Kreativitäts-Killer werden?
Wenn man sich zu sehr an die Vergangenheit klammert, dann kann sich das auf jeden Fall negativ auf den Kreativitätsprozess auswirken.

Inwiefern?
Im Moment gibt es viele Filme und Serien, die vor allem darauf abzielen, nostalgische Gefühle zu transportieren. Das ist ok, aber dabei fehlt ein Aspekt, der entscheidend für die Entstehung von Kunst ist: das Bedürfnis, neues zu schaffen und die Leute aus der Komfortzone zu holen. Natürlich ging es uns mit "My Big Day" darum, den Hörer:innen ein gutes Gefühl zu vermitteln. Genauso wollten wir aber auch zeigen, dass man die Menschen auch mal herausfordern kann. Mit dem was man tut und mit der Richtung, in die man sich weiterentwickelt.

Du hast das Thema Weiterentwicklung angesprochen hast: In welchen Punkten unterscheidet sich "My Big Day" von früheren Veröffentlichungen?
Die unterschiedlichen Phasen unserer Entwicklung, lassen sich meiner Meinung nach ziemlich gut an unseren Alben ablesen. Wir haben uns von einer Gitarrenband zu einer Band entwickelt, die zuerst Akustik-Folk und mittlerweile auch elektronische Musik für sich entdeckt hat. Auf "My Big Day" kanalisieren sich all diese Einflüsse: Ein Rock-Song kann neben einem Disco-Track und Orchester-Arrangements existieren. Eine eklektische Soundmischung, aber wir wollten es auf die Spitze treiben: Einerseits kämpfen diese Einflüsse gegeneinander, aber es zeigt auch: eine Koexistenz ist möglich.


Bombay Bicycle Club

Bombay Bicycle Club
My Big Day

Awal, ab 20. Oktober

Einfach mal den ganzen Ballast vom Gedankenkarussell werfen: Mit "My Big Day" finden Bombay Bicycle Club nicht nur zur altbweährten Leichtfüßigkeit ihrer Anfangszeit zurück, sondern auch zueinander. 2016 stand die Band kurz vor dem Aus; eine Erfahrung, die das Bewusstsein für fehlende Selbstverständlichkeiten geschärft hat. Den Balanceakt zwischen Rückschau und Zukunftszugewandheit unterlegt die Band um Sänger Jack Steadman mit Humor und experimentellen britischen Indiepop, ohne sich zwischen all den Jugendträumen zu sehr in Nostalgie zu verlieren.

Lisa Elsen