Heimkino

20.06. | Heimkinotipp der Woche

Poor Things

20.06. | Heimkinotipp der Woche - Poor Things

Foto: Searchlight Pictures


Poor Things 2 Std. 21 Min.

Mit "Poor Things" brachte Giorgos Lanthimos 2023 einen der kontroversesten Filme der vergangenen Jahre auf die Leinwand – mit einer Emma Stone, die in ihrer Rolle der Bella Baxter brilliert und den Film innerhalb kürzester Zeit in die oberen Ränge des Pop-Feminismus erhoben hat. Eine moderne Frankenstein-Adaption: Besagter Bella (eigentlich eine erwachsene Frau) wird das Gehirn eines Babys eingepflanzt. Dem vorausgegangen ist ein Suizidversuch, der den Wissenschaftlicher Godwin (Willam Defoe) auf den Plan ruft – und die Zuschauer:innen in eine Welt katapultiert, deren Setting von einer surrealistischen Verspieltheit gekennzeichnet (da werden schon mal Gehirne in feine Scheibchen geschnitten und in den Organen eines Toten herumgewurstelt) ist und nicht zuletzt vom Experiment mit den unterschiedlichen Kameraeinstellungen herrührt. Von verschwommen bis gekrümmt, von Schwarz-Weiß bis zu kräftigen Farben: Vor allem optisch überzeugt der Film, indem er sich eine Kulisse aus märchenhaften SciFi-Elementen baut. Die daraus gesponnene Welt scheint immer nur einen Fingerbreit vom nächsten Albtraum entfernt und zieht genau daraus ihre Doppelbödigkeit. Der kritischen Auseinandersetzung mit der Objektifizierung der Hauptperson verleiht das zusätzlich Kontur, während die unterschiedlichen Pole ihrer Persönlichkeit erst im Laufe des Films zu einem ambivalenten und umso spannenderen Bild zusammenfügen. Eine Emanzipationsgeschichte die – trotz aller Vergleiche zu Filmen wie "Barbie" und Co – weit über die bisherige Auseinandersetzung mit der Unterdrückung weiblicher Sexualität hinausreicht. Und das trotz der Kritik, man würde auch hier nur den Male Gaze bedienen. Vielmehr wird der männliche Blick auf subtile Art hinterfragt, ins Humoristische verkehrt, ohne in Plattitüden abzudriften. Denn ästhetisch ist die Welt, die sich Lanthimos mit "Poor Things" aufbaut, sicherlich eine überzeichnete. Inhaltlich braucht es diese groteske Überspitzung, um die zunächst ausweglose Situation der Protagonistin auf den Punkt zu bringen: Eine Welt gemacht von Männern, für Männer – und die Befreiung der Weiblichkeit, durch die Entdeckung ihrer Lust in einer surrealen Umgebung. In dieser Verknüpfung zwischen kollidieren Realitätsebenen, liegt die eigentliche Stärke des Films, die weit über die Opulenz seiner Optik hinausreicht.

Lisa Elsen