Musik

2.11. | Album der Woche

Black Pumas • Chronicles Of A Diamond

ATO · 27. Oktober

2.11. | Album der Woche - Black Pumas • Chronicles Of A Diamond

Foto: Jody Domingue


Mühevoll mühelos

Der detailfreudige und warme Retro-Soul der Black Pumas trifft bei Publikum wie Kritik ausschließlich auf Gegenliebe. Wie entsteht derlei gelassene Perfektion?

»Es gibt hier auch progressive Enklaven.« Adrian Quesada lacht, auf seine Baseballkappe angesprochen, die mit »Don't mess with Texas« bedruckt ist. An der Wand seines Studios hängt ein Gemälde des legendären mexikanischen Sängers Vicente Fernández, ein Kindheitsheld des Gitarristen, Produzenten und Komponisten mit Wurzeln beim südlichen Nachbarn der USA. Gemeinsam mit dem Sänger Eric Burton gelang Quesada vor vier Jahren ein preisgekrönter Welterfolg mit dem Debüt ihres Duos, das wie ein ganzes Filmorchester aus den Siebzigern klingt, den Soundtrack zu einer Neuauflage von Quentin Tarantinos »Jackie Brown« aufnehmend. »Das erste Album haben wir für uns selbst gemacht«, erinnert sich Quesada, »nur, was wir hören wollten. Es hatte die reinsten Absichten.« Im Vorfeld des neuen Werks namens »Chronicles Of A Diamond« herrschte hingegen Erwartungsdruck. Das Ergebnis klingt weiterhin so mühelos, wie nur etwas klingen kann, in das in Wirklichkeit viel Mühe geflossen ist. Der kreative Einfluss von Burton hat sich erhöht. Als Beispiel nennt Quesada das numinose Synthesizer-Intro, mit dem »Hello« einsteigt. »Das brachte Eric mit, ich selber wäre nicht darauf gekommen.« Die Texte des Sängers tragen derweil ihre Tiefe in der Vieldeutigkeit der an sich schlichten Zeilen. Hören wir im puren, groovigen Retro-Funk von »Mrs. Postman« die Ode an eine Person oder an eine vergangene Epoche? Ist die »great divide«, die große Kluft, die Musik laut »More Than A Lovesong« überwinden kann, jene zwischen den Menschen in einer gespaltenen Gesellschaft oder zwischen dem entfremdeten Einzelnen und dem Urgeist allen Seins, mit dem einen nur die Musik verbinden kann? Was wiederum zu der steilen Behauptung aus »Rock and Roll« passen würde, es bei selbigem mit einem »ego-death« zu tun zu haben. »Für Eric kann ich sagen, dass Musik für ihn immer etwas Heilendes besitzt«, erklärt Quesada. Er selber wiederum sei fähig, beim Komponieren in einen Flow zu geraten, der auch zu seiner Liebe zum Hip-Hop passt. »Ich möchte diesen Effekt erzeugen, bei dem der Kopf unausweichlich nickt.« Damit es fließt, zu ihm hin, durch ihn hindurch, bedarf es allerdings der Stille. Der Momente abseits des Lärms, des Inputs oder des Smartphones. Dem Raum, in dem echte Kreativität aufsteigen kann. Eine andere Form der Enklave, für die sich der zweifache Familienvater sogar in der Parallelwelt namens Tournee, die bald wieder ansteht, regelmäßig die Zeit nimmt.


Black Pumas

Black Pumas
Chronicles Of A Dimaond

ATO, ab 27. Oktober

Der gestiegene Druck nach dem Weltruhm der ersten Platte hat den Diamanten der neuen in schillerndste Farben gepresst. Unter seiner locker groovenden Oberfläche offenbart das Album immense Tiefen. Quesada hat an den Bauteilen, die das Duo mit der vielköpfigen Tourband einspielt, im Studio noch länger gefeilt und gebastelt. So hypnotisch wie raffiniert.

Oliver Uschmann