Musik

19.07. | Album der Woche

Toby Gad • Piano Diaries

Kite · 19. Juli

19.07. | Album der Woche - Toby Gad • Piano Diaries

Toby Gad (Foto: Oswaldo Cepeda)


Hallo Selbstbestimmung!

Toby Gad zählt zu den erfolgreichsten Produzenten, hat mit Musikgrößen wie Madonna, Beyoncé oder John Legend zusammengearbeitet. Mit "Piano Diaries" schlägt der gebürtige Münchener nun ein neues Kapitel in seiner Karriere auf - und spricht offen über seinen steinigen Weg zum Erfolg, Songwriting als therapeutische Maßnahme und den Wunsch nach mehr Autonomie.

Toby Gad, was war Ihr Traumberuf als Kind?
Als ich zehn war, wollte ich Eisverkäufer werden, damit ich kostenlos Eis essen kann. (lacht) Mit 18 oder 19 haben mein Bruder und ich gemeinsam mit Frank Farian ein Album aufgenommen und ab da wuchs dann der Wunsch in mir, meine eigenen Songs eines Tages im Radio zu hören. Natürlich hatte ich auch kleinere Träume, die sich mittlerweile erfüllt haben. Ich wollte z.B. Familienvater werden, ein Haus besitzen - oder Surfen zu lernen.

Welche Träume haben Sie im Moment?
Ich möchte als Künstler auf der Bühne stehen und die Songs, an denen ich über so einen langen Zeitraum hinweg gearbeitet habe, selbst performen. Das ist eine neue Herausforderung für mich. Durch meine Zeit als Juror bei "Deutschland sucht den Superstar" habe ich den Mut gefasst, vor der Kamera ich selbst zu sein und mich in dieser Rolle wohlzufühlen. Es ist, als würde sich ein Kreis schließen.

Gab es einen Auslöser für den Wunsch, selbst nicht mehr nur als Produzent, sondern auch als Künstler in Erscheinung zu treten?
Ja, im Februar letzten Jahres hatte ich einen Nervenzusammenbruch. Ich hatte acht Songs mit Angelina Jordan aufgenommen und sogar die Bosse der Plattenfirma hatten mir erzählt, wie begeistert sie von dem Ergebnis sind. Als die EP dann rauskam, war kein einziger meiner Songs drauf. Das hat mich fertig gemacht. Da dachte ich: Wäre ich DJ, dann könnte ich die Songs einfach selbst veröffentlichen. Es störte mich extrem, so fremdgesteuert zu sein und mit "Piano Diaries" gehe ich nun einen wichtigen Schritt Richtung Autonomie.

Hat man nach so vielen Jahren im Musikbusiness kein dickeres Fell?
Doch, das braucht man auch. Als ich 2001 nach New York gezogen bin, hagelte es in den ersten Jahren fast nur Absagen. Ich war oft an dem Punkt, die Hoffnung zu verlieren. Schlichtweg, weil ich teilweise kein Geld mehr hatte - aber dann klappte doch immer irgendwas. Es belastet mich aber nach wie vor, wenn ich lange an einem Song arbeite, an ihn glaube und dann Absagen bekomme. Da muss man natürlich trotzdem durch, sonst würde manche Musik nie das Licht der Welt erblicken.

Ist der Schlüssel zum Erfolg im Musikbusiness also Beharrlichkeit?
Das gehört dazu, aber es ist ein Zusammenspiel aus mehreren Dingen. Ein wichtiger Punkt ist beispielsweise, dass man die Absagen als eine Art Lektion versteht. Warum war es dieses Mal ein "Nein"? Was kann man beim nächsten Projekt besser machen? Das gibt einem die Möglichkeit, sich stetig zu verbessern.

Gemeinsames Songschreiben kann sehr persönlich sein.
Der Prozess ist sehr therapeutisch. Letztes Jahr hatte ich eine Session mit James Arthur, bei der wir beide irgendwann geweint haben. Inhaltlich ging es darum, dass seine Eltern ihn mit 14 Jahren weggegeben haben und er fortan in Pflegefamilien aufwuchs. Als ich sieben Jahre alt war, ging meine Mutter nach Indien und kurze Zeit später trennten sich meine Eltern. Von da an führte meine Mutter eine Art Kommunenleben und ich sah sie nur noch einmal im Jahr. Das war für mich eine ähnlich traumatische Erfahrung. Auch die Session zu "Big Girls Don't Cry" war sehr emotional. Der Text besteht zum Großteil aus den Zeilen eines Abschiedsbriefs, den Fergie damals für ihren Exfreund geschrieben hatte.

Sind alle Künstler so offen?
Ich habe mittlerweile den Ruf, dass es sehr persönlich wird, wenn man mit mir zusammenarbeitet. Also Künstler:in weiß man, worauf man sich einlässt und ich glaube, dass sich deswegen einige davor scheuen. (lacht) Meiner Meinung nach liegt darin die Hauptaufgabe von Musik. Sie sollte den Hörer berühren und etwas auslösen. Die meisten Stars, die ich im Laufe meiner Karriere kennengelernt habe, sind aber tatsächlich sehr nett und offen.

Gibt es Ausnahmen?
Ich sollte mal mit Britney Spears zusammenarbeiten. Ich saß im Studio und wartete auf sie und als sie dann endlich kam, hörte sie sich den Song an und ist wortlos gegangen. Das war eine ziemlich unangenehme Erfahrung.


Toby Gad

Toby Gad
Piano Diaries

Kite • 19. Juli

Toby Gad lässt auf "Piano Diaries" seine Karriere in besonderer Weise Revue passieren und erweitert sie um einen entscheidenden Aspekt. Statt selbst im Hintergrund zu agieren, setzte er sich für die Neuaufnahmen seiner bekanntesten Hits ans Klavier. Mehrere hundert Male nahm er die Pianoversionen der Songs auf, bis er die Variante gefunden hatte, die der jeweiligen Stimme gerecht wird. "If I Were A Boy", im Original von Beyoncé gesungen, überzeugt dank Angelina Jordans souliger Stimme schon nach den ersten Sekunden. Entstanden ist ein Album voller Balladen, bei denen die ganz großen Gefühle im Mittelpunkt stehen und mit dem Gad aufstrebenden Künstler:innen eine Plattform bietet. Damit beweist er, dass er nicht nur ein begnadeter Produzent, sondern auch ein toller Künstler ist.

Katharina Raskob