Musik

15.09. | Album der Woche

Joshua Redman • Where Are We

Blue Note

15.09. | Album der Woche - Joshua Redman • Where Are We

Foto: Zack Smith


Eine Frage des Timings

Gut Ding will Weile haben: Mit seinem neuen Album »Where Are We« feiert der angesehene US-Saxofonist Joshua Redman gleich zwei besondere Premieren.

Mr. Redman, »Where Are We« ist Ihr erstes Album überhaupt, auf dem fast durchgehend Gesang zu hören ist. Warum erst jetzt?

Ich habe mich natürlich auch gefragt, warum es so lange gedauert hat. Ich habe immer viele Ideen, einige davon setze ich sehr schnell um, bei anderen bin ich eher gemächlich unterwegs. Das hier gehörte ganz sicher zu letzterem. Ich denke, es ist auch meinem Arbeitsprozess geschuldet, der Art und Weise, wie ich seit Jahrzehnten Musik mache. Ich habe immer mit einer Band gespielt, mal ging es um Album-Projekte, dann waren wir monatelang auf Tour. Aus solch einer Situation heraus konnte so etwas nur schwer entstehen.

Es ging auch um Ihre Position in einem Ensemble.

Wenn es Gesang gibt, dann steht die Stimme absolut im Mittelpunkt, drumherum wird alles gebaut. Als Instrumentalist fällt mir sonst diese Rolle zu, möglicherweise hat sich ein Teil von mir geweigert, diesen Part abzugeben. Gleichzeitig wollte ich für mich eine neue Rolle in der Jazzmusik finden. Ich glaube, mein Spiel, meine melodische Stimme, musste erst stark genug sein, um mich zurückzunehmen und diese Stellung zu teilen. Ein weiterer Aspekt ist, dass während der Pandemie wirklich gar nichts mehr ging. Die Sehnsucht danach, wieder mit Menschen zusammen zu musizieren, war riesig. Der Zeitpunkt war also ideal.

Und Gabrielle Cavassa die ideale Besetzung.

Sie ist ein ganz wunderbarer Mensch, total bodenständig. Wir kommen beide aus Kalifornien, da gibt es diese besondere Verbindung. Wir harmonierten bereits bestens, noch bevor wir einen einzigen Ton zusammen gespielt beziehungsweise gesungen hatten.

Was ist das Besondere an ihrer Stimme?

Ganz gleich, welchen Song sie auch singt, sie gibt dir das Gefühl, dass sie es für dich tut. Da ist eine große Anziehungskraft in ihrem Timbre, eine unmittelbare Verletztlichkeit, gleichzeitig auch etwas Rauhes, sehr Unver- fälschtes. Damit zieht sich dich sofort hinein in die Musik.

Es gibt eine weitere Premiere: Zum ersten Mal veröffentlichen Sie auf dem legendären Label Blue Note.

Darüber freue ich mich riesig. Blue Note ist zweifellos das größte Jazz-Label aller Zeiten, es ist ein so großer Teil meines Lebens. Ich habe Musik ja nie formal studiert, diese Platten waren wie Lehrmeister für mich, absolute Meilensteine. Verrückt, dass ich jetzt selbst ein Blue-Note-Künstler bin.


Joshua Redman

Joshua Redman
Where Are We

Blue Note, ab 15. September

Allein wie Sängerin Gabrielle Cavassa das Intro von Tony Bennetts »I Left My Heart In San Francisco« singt – ganz nah am Ohr des Hörers – ist pure Magie. Die Mitgewinnerin des Internationalen Sarah-Vaughan-Jazz-Gesangswettbewerbs und der preisgekrönte Tenor-Saxofonist Redman ergänzen einander perfekt, die Band um Pianist Aaron Parks ist fantastisch. Aus Songs wie »Baltimore«, Bruce Springsteens »Streets Of Philadelphia« oder Jimmy Webbs Klassiker »By The Time I Get To Phoenix« entsteht so ein musikalisches Road Movie.

Ingo Scheel