Musik

15.03. | Album der Woche

David Friedman Generations Trio • Surge Of Silence

Malletmuse · 1. März

15.03. | Album der Woche - David Friedman Generations Trio • Surge Of Silence

Foto: Maryam Piroozirad


Die Achtung vor der Stille

Jazzlegende David Friedman verfolgt auf seinem neuen Album das Konzept der Spontankomposition – und zeigt sich dabei einmal mehr in Bestform.

Er gilt als einflussreichster Jazz-Vibraphonist aller Zeiten und machte mit seiner Professur Berlin ab 1989 zur Vibraphon-Hauptstadt Europas. Kurz vor seinem 80. Geburtstag veröffentlichte David Friedman mit seinem Generations Trio das neue Album „Surge of Silence“. „Ich lege sehr viel Wert auf die Pause zwischen den musikalischen Ereignissen. Viele Menschen können mit der Stille überhaupt nicht umgehen. Für mich ist die Stille dramaturgisch aber genauso wichtig wie die Ereignisse selbst“, erklärt Friedman den Titel des Albums. „Dieses Anschwellen der Stille führt zu einem größeren Gewicht des Gespielten“. Konzeptionell ist das Album zweigeteilt: Beim einen Teil handelt es sich um ausgeschriebene Kompositionen, beim anderen um Stücke, die Friedman als „spontankompositiorisch“ bezeichnet. Den Begriff „freie Improvisation“ hält er für ungeeignet: „Man hat ja dennoch immer Struktur, Harmonie, Melodie und Form im Kopf“. Friedmans Vorgabe an sich selbst und seine Mitmusiker ist es, aus dem Stehgreif Musikstücke zu erschaffen, die harmonische Bögen, eine Tonalität und eine Dramaturgie besitzen. Wie gut das Friedman gelungen ist, zeigen Stücke wie „Amiga“. Die Frage, ob er sich manchmal Alben aus seinem immens umfangreichen Backkatalog anhört, bejaht er. Dabei geht er heute wesentlich milder mit sich selbst ins Gericht als in früheren Jahren, erzählt er. „Früher war ich viel kritischer im negativen Sinne. Es gab eine Aufnahme mit Horace Silver aus den frühen Siebzigerjahren. Direkt nach der Aufnahme hörte ich sie mir an - und fand mich furchtbar. Wenn ich sie jetzt höre, finde ich das völlig in Ordnung, was ich gespielt habe“. Besonders nostalgisch ist er trotz des runden Geburtstags nichts – dafür ist Friedman viel zu sehr auf zukünftige Projekte fokussiert. Mit den Entscheidungen im Leben sei es so wie mit den Tönen, erzählt er – es kommt nicht auf einen gelegt falschen Ton an, sondern auf das, was man im Anschluss spielt. Am Ende unseres Gesprächs fällt ihm aber dann doch etwas ein, das er rückblickend gerne anders gemacht hätte. „Das Einzige, was ich bereue, ist eine Session mit Wayne Shorter. Ich hätte mich damals einfach mehr einbringen sollen. Ich war sehr eingeschüchtert durch diese Wahnsinnsmusiker in der Session, Wayne Shorter, Ron Carter, Billy Cobham. Ich habe viel zu zurückhaltend gespielt“, meint er. „Hätte ich Wayne damals gezeigt, was ich kann, hätte er mich vielleicht eingeladen, mit Zawinul in Weather Report zu spielen, die damals gerade entstanden“, sagt er – und lacht.


David Friedmann Generations Trio

David Friedman Generations Trio Surge Of Silence
Malletmuse Records / 1.3.2024

David Friedman und sein Generations Trio loten auf „Surge of Silence“ primär zwei Dinge aus: Die Möglichkeiten des Moments und die Bedeutung der Stille. Gemeinsam dem Schlagzeuger Tilo Weber und dem Bassisten Oliver Potratz changiert der Vibraphonist und Marimbist zwischen klassischer Komposition und Improvisation, die allerdings dieselben dramaturgischen und künstlerischen Ansprüche erhebt wie „durchkomponierte“ Stücke – so, wie das Friedman das gemeinsam mit Dave Samuels im Duo Double Image praktiziert hatte.

Markus Brandstetter