Musik

13.10. | Album der Woche

Melanie De Biasio • Il Viaggio

PIAS · 13. Oktober

13.10. | Album der Woche - Melanie De Biasio • Il Viaggio

Foto: Maël G. Lagadec


Mit leichtem Gepäck

Was bleibt, wenn man einen Ort verlässt? Dieser Frage widmet sich die belgische Musikerin Melanie De Biasio auf ihrem neuen Doppelalbum »Il Viaggio«.

Frau De Biasio, für Ihr neues Album zog es Sie unter anderem in die abruzzische Gemeinde Lettomanoppello. Warum genau dorthin?

Um eine Geschichte der Migration von Italien nach Belgien zu erzählen, musste ich eine Beziehung zu einem Dorf finden, das diesbezüglich eine enge Verbindung hat. Da war das in den Bergen gelegene Lettomanoppello perfekt. Mir wurde dort aber schnell klar, dass ich mich nicht zu sehr auf den Aspekt der Aus- wanderung konzentrieren möchte, sondern mehr auf die Verbindung zur Natur. Wie man diese Verbundenheit, diese Erinnerungen und Erfahrungen mitnimmt, wenn man einen Ort verlässt. Man erinnert sich an die Gerüche, an kleine Dinge. Das wollte ich festhalten.

Wie war das Ankommen?

Es dauerte eine Weile, eine Beziehung zu den Dorfbewohnern aufzubauen und Teil des Ge- schehens zu werden. Ich wollte völlig in der Umgebung aufgehen, darin verschwinden. Um diese Intimität zu finden, muss man eine Weile an einem Ort bleiben.

Eine wichtige Person Ihrer Reise ist ein Dorfbewohner namens Ciccopeppe, dessen Stimme auf einem Stück zu hören ist. Warum war diese Begegnung so besonders? Ich habe einige Bildhauer an ihrem Arbeits- platz besucht und habe versucht, die Klänge ihrer Maschinen mit meinem Mikrofon einzufangen. Eine Person kam auf mich zu, um mir zu helfen. Als ich seine Stimme hörte, hielt die Welt an. Sie klang, als verbinde sie die ge- samte Menschheit, das gesamte Universum in sich. Ich habe später vergeblich versucht, ihn wiederzufinden. Bis zum letzten Tag meines Aufenthalts, als er mir an einer Kreuzung wieder begegnete. Ich bat ihn um Erlaubnis, seine Stimme und seine Geschichte aufzunehmen.

Sie nahmen auch in Kirchen auf. Die Reise war eine Chance für mich, meinen Ursprung wiederzufinden. Aber der Ort, an dem ich meine eigene Stimme wiederfand, mei- ne Ängste und auch Tränen loslassen konnte, war eine Kirche. Ich bin keine gläubige Chris- tin, aber das war ein besonderer Ort. Ich wusste: Hier kann ich wieder singen. Hier kann ich eine Geschichte beginnen lassen. Es war Magie.

Sie sagten, es sei wichtig gewesen, diese Dinge unvoreingenommen und wie ein Kind zu erleben.

Ja, das war mir ein Bedürfnis, besonders nach zwei Jahren Pandemie. Ich möchte keine Erwachsene sein, die zu viel über alles nachdenkt. Ich möchte einfach spielen und mich mit leichtem Gepäck auf die Reise begeben. Mit viel Freude, aber ohne Druck.


Melina De Biasio

Melanie De Biasio Il Viaggio
PIAS, ab 13. Oktober

Es begann mit einer Auftragsarbeit für ein Festival – aber das Thema der italienischen Auswanderung nach Belgien ließ Melanie De Biasio auch nach Vollendung dieser Arbeit nicht los. Sie machte sich auf den Weg nach Italien, zunächst an einen für sie fremden Ort, später auch zu den eigenen Wurzeln. Im Gepäck: rudimentäres Aufnah- meequipment. De Biasio sprach mit Fremden, sang in Kirchen – und suchte das Haus ihrer Großmutter auf, in dem sie erstmals ein Lied auf Italienisch aufnahm. Daraus wurde ein bemerkenswertes wertes Doppelalbum.

Markus Brandstetter