Literatur

13.03. | Buch der Woche

John Niven • O Brother

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13.03. | Buch der Woche - John Niven • O Brother

John Niven
O Brother

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Hardcover / 400 Seiten / 24,00 €

John Niven ist zwei Jahre älter als sein Bruder Gary, doch schon in der Schule stellt sich heraus, wer der Coolere von beiden ist. Während John Bücher wälzt und Schallplatten hört, macht Gary die Nachbarschaft unsicher und besteht Mutproben, zu denen ihn niemand aufgefordert hat. Als Jugendliche verschärfen sich die Gegensätze. John macht einen Universitätsabschluss und zieht nach London, Gary bleibt in der schottischen Provinz, treibt sich auf Rave-Partys herum und verkauft Drogen. Mit 42 ist er tot, und sein Bruder fragt sich, was schiefgelaufen ist mit diesem Leben, das nicht so recht von der Stelle zu kommen schien. Weil John Niven („Kill Your Friends“) mittlerweile ein erfolgreicher Schriftsteller ist, wagt er sich in „O Brother“ an eine Art Memoiren, die stellvertretend auch für seinen Bruder sprechen. Der Trick dabei: möglichst unsentimental und schonungslos davon zu berichten, was es heißt, Heimat und Herkunft zu teilen, und doch in verschiedenen Welten zuhause zu sein. „Ich habe keine Ahnung, warum manche Menschen einfach nicht in der Lage sind, ein selbständiges Leben zu führen“, schreibt der Autor, um in seinen Erklärungsversuchen dann ganz vorne anzufangen. Die Kindheit im Arbeitermilieu, der frühe Tod des Vaters, die identitätsstiftende Rolle der Musik und die Lust an der Selbstzerstörung. Es ist eine fesselnde Geschichte, die auch deshalb tief berührt, weil Niven, zwischenzeitlich als literarisches Enfant Terrible gebrandmarkt, hier alle Hüllen fallen lässt und von etwas erzählt, das gleichzeitig alltäglich und universell ist: die komplexe Beziehung zu einem Familienmitglied, das einem manchmal zutiefst vertraut und manchmal völlig fremd ist.

Markus Hockenbrink