Kino

12.10. | Kinostart der Woche

Anselm

12.10. | Kinostart der Woche - Anselm

Foto: Road Movies/Wim Wenders


Von Künstler zu Künstler

Nach »Pina« hat Regie-Legende Wim Wenders erneut eine 3D-Biografie gedreht. Dieses Mal widmet er sich mit »Anselm« dem Ausnahme-Künstler Anselm Kiefer.

Herr Wenders, erinnern Sie sich noch daran, wann Sie zum ersten Mal von Anselm Kiefer gehört haben?

Ich erinnere mich daran, seine Arbeit in den Achtzigern auf der Documenta gesehen zu haben. Und 1980 auf der Biennale, wo er ausgestellt war. Persönlich getroffen haben wir uns 1991, als ich eines Abends in Berlin-Kreuzberg in meinem Stammlokal saß und jemand mit einer Zigarre hereinkam, nach der sofort der ganze Raum roch. Das war Anselm. Wir haben uns erkannt und er fragte, ob er sich zu mir setzen dürfe. Wir fingen an, uns zu unterhalten, woraus im Handumdrehen eine Tradition wurde. Wochenlang saßen wir fast jeden Abend dort und quatschten, und ich durfte auch mal mitkommen in die Neue Nationalgalerie, wo er gerade seine große Ausstellung aufbaute. Ich fand es den nackten Wahnsinn, was er da hingestellt hatte, und konnte gar nicht glauben, dass es nach der Eröffnung richtige Verrisse gab. Anselm war am Boden zerstört und verstand nicht, warum er nach seinen triumphalen Ausstellungen quer durch Amerika in seinem eigenen Land so gar nicht gesehen wurde.

Wie haben Sie sich ihm nun für den Film nochmals als Künstler angenähert?

Das hat mit dem Zauberer Houdini zu tun: Man muss in einem solchen Fall »verschwinden« können. Wenn man sich selbst einmischt, wird’s schwierig, dann zeigt man schnell seine Meinung von etwas, statt die Sache selbst. Für mich war ein Verschwinden nicht so leicht, weil ich eine ähnliche Geschichte habe wie Kiefer. Ich bin im selben Jahr geboren wie er, wollte nichts anderes als Maler werden, hatte in der Schule Nazi-Lehrer und habe die gleiche Nachkriegsgeschichte miterlebt. Nur dass ich in der Konsequenz weg wollte und mich dieser Konfrontation mit der deutschen Geschichte nicht so intensiv ausgesetzt habe wie Anselm. Teil seines Werkes ist auf dieser Auseinandersetzung mit der Geschichte begründet, und weil ich so genau wusste, worum es dabei geht, habe ich erst recht versucht, mich zurückzunehmen. Ich selbst sollte in diesem Film nicht vorkommen, nur Anselm Kiefer und seine Kunst.

Sie haben wieder in 3D gedreht. Warum?

3D ist eine Sprache, die in der Lage dazu ist, die Tiefe von Kiefers Arbeiten wiederzugeben. Schon rein rechnerisch kann 3D mehr zeigen, als es Film normalerweise auf einer zweidimensionalen Leinwand tut. Es sind Regionen des Gehirns beteiligt, die sonst im Kino abgeschaltet sind. Durch 3D sind die Leute mehr »da« und »dabei«, und das ist bei den Details und Facetten von Anselms Kunst besonders wichtig


Anselm

  1. Oktober, 1 Std. 33 Min.

Weniger eindrucksvoll als vor zwölf Jahren »Pina« ist es dennoch unbedingt sehenswert, wie Wenders in »Anselm« den immer wieder mit der deutschen Vergangenheit und ihren Mythen ringenden Maler und Bildhauer Anselm Kiefer durch seine riesigen Ateliers begleitet, seine Arbeitsweise und das wuchtige Werk in Szene setzt. Kombiniert ist das Ganze mit Archivmaterial und ein paar überflüssigen Spielszenen. Keine konventionelle Doku-Biografie, sondern das Aufeinandertreffen zweier deutscher Ausnahmekünstler.

Patrick Heidmann