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12.01. | Album der Woche

Kinga Glyk • Real Life

Warner Music

12.01. | Album der Woche - Kinga Glyk • Real Life

Foto: Warner Music


Das Gefühl als Lehrmeister

In den Sozialen Medien sorgte die polnische Bassistin Kinga Glyk vor einigen Jahren mit Coverversionen bekannter Songs für Furore und wurde schnell zum Shootingstar der internationalen Bass-Szene. Glyks mittlerweile fünftes Studioalbum »Fast Life« entstand nun in Zusammenarbeit mit dem Snarky-Puppy-Bassisten Michael League.

Kinga Glyk, Sie sind eine der angesagtesten Bassistinnen und dennoch steht auf Ihrem neuen Album vor allem die Komposition im Vordergrund. War es Ihnen wichtig, kein reines Bass-Album zu machen?
Absolut. Bevor wir mit den Aufnahmen begonnen haben, hatten Michael League und ich ein Gespräch über meine Vision für den Bass auf diesem Album. In meiner Vorstellung war er nicht notwendigerweise das Hauptinstrument. Deshalb bleibe ich mit dem Bass meist im Hintergrund, nur manchmal spiele ich Melodien.

Dass Sie mit Michael League gearbeitet haben, ergibt Sinn. Man könnte als Hörer durchaus den Eindruck bekommen, zwischen Snarky Puppy und Ihnen bestehe eine Art Seelenverwandtschaft.
Das stimmt, und ich finde es großartig, dieses Album mit ihm gemacht zu haben. Ich habe seine Musik früher sehr oft gehört und viele Videos angesehen. Mein Respekt vor seinem Spiel und seiner Art zu Komponieren ist riesig.

Ihre frühen Studioalben wie »Dream« basierten noch zum großen Teil auf Improvisation, auf Ihrem letzten Longplayer »Feelings« war jedoch alles nahezu fertig komponiert, als Sie ins Studio gingen. Wie war die Herangehensweise bei »Fast Life«?. Diesmal hatten wir gar keine Partituren oder Parts für meine Mitmusiker vorbereitet. Ich hatte lediglich das Grundgerüst der Stücke, die Melodien waren größtenteils schon fertig. Unseren Musikern wollten wir so viel Raum wie möglich geben, um kreativ zu sein.

Sie waren noch nicht einmal ein Teenager, als Sie mit Ihrem Vater und Ihrem Bruder auf Tour gingen. Wie haben Sie Ihre frühen Auftritte in Erinnerung?
Ich wusste nicht viel darüber, was und wie ich spielen sollte. Ich bin einfach meinem Gefühl gefolgt. Dass mein Vater dabei war, hat mir sehr geholfen. Er hat mich dabei unterstützt, mich von Konzert zu Konzert zu steigern und auch mal gesagt: »Das muss besser werden, das ist noch nicht gut genug.« Ich habe ja nie studiert, deshalb war mein Vater ein wichtiger Mentor für mich.

Haben Sie sich das Bass-Spielen selbst beigebracht?
Zum größten Teil, würde ich sagen. Ich hatte ein paar Unterrichtsstunden, aber nicht viele. Auch wenn ich mich manchmal alleine fühlte, fand ich es gut so, weil ich ganz unabhängig herausfinden konnte, wie man was macht. Zum Glück gibt es außerdem das Internet, wo man Tipps und Anleitungen bekommen kann. Inzwischen kann ich mir auch vorstellen, einen Lehrer zu nehmen, um noch besser zu werden.

Haben Sie auch viel transkribiert, wie das bei Jazzmusikern üblich ist?
Ja Die meisten Songs habe ich immer schon nach Gehör gespielt und das, was mir gefallen hat, dann transkribiert. Ich habe auch immer gerne meine eigenen Bassläufe für Songs komponiert – das mache ich heute noch. Wenn mir ein Song gefällt, erfinde ich ein paar neue Lines.

Weil Sie gerade vom Internet gesprochen haben: So richtig losgegangen ist Ihre Karriere ja durch mehrere Social-Media-Videos.
Ich hatte auf Facebook meine Version von »Tears In Heaven« veröffentlicht und das Video wurde sehr oft angesehen und geteilt. Ich erinnere mich, meinen Bruder gebeten zu haben, mich zu filmen. Er meinte nur, er hätte keine Zeit und ich solle das selbst erledigen. Videos zu machen, hat mich einiges gelehrt: Einerseits, dass es wichtig ist, genau auf Details zu achten. Aber auch darauf, was man veröffentlicht – und was man besser sein lässt! (lacht)

Wenn Sie über sich selbst lesen, Sie seien die Hoffnung des europäischen Jazz: Wie geht es Ihnen dabei?
Es ist wirklich toll und ermutigend, so wertgeschätzt zu werden. Aber mal ehrlich, manchmal nehmen Menschen auch gerne zu große Worte in den Mund. Es gibt schließlich so viele tolle Musiker und Musikerinnen. Und nur weil irgendwo steht, ich sei die »Queen of Bass«, bin ich das deswegen noch lange nicht. (lacht)


Kinga Glyk

Kinga Glyk
Real Life

Warner Music • 26. Januar

Dass der Bass auch ganz im Vordergrund stehen kann, ist allseits bekannt – für die polnische Bassvirtuosin Kinga Glyk auf »Real Life« aber nicht wirklich ausschlaggebend. Zwar kommen Freunde der tiefen Töne hier natürlich auf ihre Kosten, viel mehr stehen aber die Kom­positionen und eine im Klangraum gleichberechtigte Band im Vordergrund. Dabei zeigt Glyk sich nicht nur als hervorragende Instrumentalistin, sondern auch als tolle Komponistin mit ebenso starken Melodien wie Grooves.

Markus Brandstetter