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10.11. | Album der Woche

Cat Power • Cat Power Sings Dylan: The 1966 Royal Albert Hall Concert

Domino · 10. November

10.11. | Album der Woche - Cat Power • Cat Power Sings Dylan: The 1966 Royal Albert Hall Concert

Foto: Inez & Vinoodh


Wie der Mount Everest

Chan Marshall aka Cat Power setzt Bob Dylans »Royal Albert Hall Concert« von 1966 ein persönliches Denkmal – und ihrem Faible für Cover die Krone auf.

Chan Marshall, ist Bob Dylan der größte Songwriter aller Zeiten?
Ich kann nicht beurteilen, wie das in anderen Teilen der Welt gesehen wird, aber für die amerikanische Popkultur ist er auf jeden Fall der Mount Everest unter den Songschreibern.

Was hat Sie zu einer Cat-Power-Version seines berüchtigten Konzertes von 1966 veranlasst?
Wenn sich Dylan damals nicht entschieden hätte, elektrisch zu spielen, würde er wohl noch immer dieselben Songs für dieselben Folkpu- risten spielen. So aber hat er grundlegend verändert, was man mit Rock’n’Roll ausdrücken kann. Als mir angeboten wurde, die gleiche Venue zu spielen, die ich in meinen Zwanzigern häufiger besuchte, war mir sofort klar, dass dafür nur Dylan in Frage käme. Obendrein sollte es in der Guy Fawkes Night stattfinden, was vor dem Hintergrund dessen, was gerade in Amerika passiert, etwas Besonderes hatte.

Was meinen Sie damit?
Nun, ursprünglich wollte ich vor allem ein Zeit- dokument für mich produzieren. Ich hatte das 20-jährige Jubiläum zu »Moon Pix« in der Oper in Sydney nicht aufgenommen. Das würde mir nicht nochmal passieren. Hier hat sich aber schnell eine größere Bedeutung hervorgetan. Es ist erschreckend zu sehen, wie sich Geschichte wiederholt. Vor allem in den Südstaaten, wo versucht wird, bei Rassismus, LGBTQ oder der Klimakrise das Rad zurückzudrehen. Es scheint, als wären wir wieder da, wo wir an- gefangen haben. Als wären wir zurückgesprungen in eine Zeit, als Leute wie Dylan anfingen, nach Veränderung zu streben. Er hat damals eine Bewegung losgetreten, die heute keinesfalls verschwunden ist. Tatsächlich ist sie viel größer als damals, sie geht nur immer häufiger im Lärm der reaktionären Kräfte unter.

Gab es bei Ihnen je die Angst, sich an einer der geschichtsträchtigsten Shows aller Zeiten zu verheben?
Daran habe ich im Vorfeld nicht gedacht. Aber als ich auf der Bühne stand, zitterte ich am ganzen Körper. Ich musste meine Hände zu Fäus- ten ballen und in den Jackentaschen verstecken. Die erste Hälfte der Show, das sind Sie und Ihre Akustikgitarre, die zweite dominiert ein Bandsound mit E-Gitarre, wie bei Dylan.

Wie wichtig war Ihnen die Detailtreue? Ich wollte kein allzu großes Ego in die Musik einfließen lassen. Alles sollte so nah wie möglich an den Songs bleiben und keine weitreichenderen Interpretationen nach sich ziehen. Ich wollte den Mount Everest singen lassen und es genießen. (lacht)


Cat Power

Cat Power
Cat Power Sings Dylan: The 1966 Royal Albert Hall Concert

Domino, ab 10. November

Im Mai 1966 spielte Bob Dylan ein Konzert in der Manchester Free Trade Hall, das durch ein falsch betiteltes Bootleg lange Zeit als »Royal Albert Hall Concert« kursierte. Dabei wechselte er von der akustischen zur elektrischen Gitarre, und zog den Zorn des Publikums auf sich. Diesem pop-kulturell herausragenden Moment nähert sich Chan Marshall mit großer Ehrfurcht. Auch wenn die Songs unverkennbar nach Cat Power klingen, bleiben sie doch nahe am Kern ihrer Geschichte. Marshalls guter Freund Thurston Moore soll bei »Tambourine Man« Tränen in den Augen gehabt haben.

Daniel Thomas