Musik

09.09. | Album der Woche

Robbie Williams • XXV

Sony

09.09. | Album der Woche - Robbie Williams • XXV

Der Verwundete

Es gibt kaum größere Gesten als die Neueinspielungen und frischen Stücke, die Robbie Williams zu seinem Jubiläum präsentiert. Emotional steckt darin ein Kammerspiel.

„I lost my faith in life / I lost my point of view / I lost what I used to love…“ Bis zu dieser Zeile im Refrain des neuen Stückes „Lost“, dessen Pianofigur von Coldplay stammen könnte, denkt man noch, dass Robbie Williams einen treffend formulierten Einblick in seine Depression gibt. Doch die vierte Zeile führt zumindest dieses Stück wieder auf das sichere Terrain eines klassischen Liebeskummerliedes: „… when I lost my faith in you.“ Oder spricht das erzählende Ich sich selber an? Fest steht: Dieser Mann, in Zeiten vergänglichen TikTok-Ruhms einer der letzten echten Weltstars, fühlte sich im Rampenlicht nie wirklich geborgen. Im Video zu „Rock DJ“ ließ er sich das Fleisch abziehen, einige Texte lassen den Schmerz in all dem gepflegten, perfektionistischen Bombast durchscheinen. Nur „echte Liebe“ wollte er einst in „Feel“ empfinden, doch sabotierte sie im Text selber, changierte bei allem Erfolg stets jenseits des Glücks. „I don't wanna die / but I ain't keen on living either“ – womöglich bis heute die Schlüsselverse für sein gesamtes Solowerk.

Dessen 25-jähriges Jubiläum feiert er nun mit einem ebenso in römischen Ziffern benannten Mehrfachalbum, sich selbst auf dem Cover erneut in tragisch-ironischem Bruch wie eine griechische Statue inszenierend, auf einen Sockel gestellt von der Welt, aber sicherlich nicht von sich selbst. Zwei der drei weiteren brandneuen Songs versprühen viel Verve und Atmosphäre, einer tänzelt eher profan vor sich hin. Klanglich fährt Williams allerdings das ganz große Besteck auf, hat jeden seiner legendären Hits vollständig neu eingespielt mit dem Metropole Orkest, der Niederlande feinstes Besteck, einer Big Band samt Streicherensemble. Der Stadionpoprock, der Swing, das Chansoneske und Cineastische seiner Musik – das war und ist eine der letzten großen Gesten eines Mainstreams, der schon zur Mitte von Williams‘ Karriere hin in der Breite gar nicht mehr existierte. Wer spielt und schreibt sonst so? Williams‘ Seelenleben steht zu diesem ausschweifenden Pomp in größtmöglichem Kontrast. Erst dieser Tage sprach er auf der „Night of Discovery“-Gala des Aurora-Instituts zum Thema psychischer Probleme von seinen persönlichen Plagen: ADHS, BDD, Depression, Dyslexia, Angst vor sozialen Situationen, Keimphobie, Alkoholismus und Zwangsvorstellungen. Er könnte Doom spielen auf dieser Basis oder Noiserock, doch seinem Popentwurf verleiht es seit einem Vierteljahrhundert zeitlose Substanz.

Robbie Williams
XXV

Sony • 9. September
Als hätte es immer schon so klingen müssen – die cineastisch-breite Inszenierung durch das Metropole Orkest unter der Federführung von dessen aktuellem Leiter Jules Buckley sowie Williams‘ langjährigen Schreibern und Begleitern Guy Chambers und Steve Sidwell steht der Musik bestens zu Gesicht. Unter den vier neuen Songs bilden besonders „More Than This“ und „The World And Her Mother“ auf der Deluxe-Edition im Rahmen des Bombasts einen fast brüchigen, schwebend melancholischen Zauber.


Foto: Leo Baron

Oliver Uschmann