Musik

09.02. | Album der Woche

Mine • Baum

Virgin · 2. Februar

09.02. | Album der Woche - Mine  • Baum

Foto: Bastian Bochinski


Mehr Empathie, bitte!

„Baum“ klingt wie der Blick durch ein farbenprächtiges Kaleidoskop. Mine geht bei ihrem fünften Album keine Kompromisse ein und überzeugt genau deswegen.

Mine, fühlen Sie sich irgendwo verwurzelt?
Nein, ich bin kein heimatverbundener Mensch. Für mich hat »zu Hause« eher was mit den Leuten zu tun, mit denen ich mich umgebe. Viele meiner Freunde und der Men- schen, mit denen ich zusammenarbeite, kenne ich sehr lange und diese Konstanten sind mir wichtig. Ich würde mit einer nahestehenden Person eher drei Mal durch ein tiefes Tal gehen, als mich von ihr zu verabschieden. Was das angeht, bin ich sehr hartnäckig.

Wovon haben Sie sich in den letzten Jahren getrennt?
Ich habe mich mit manchen Gegebenheiten versöhnt, von denen ich dachte, dass sie sich ändern müssen. Dazu zählt etwa die Beziehung zu meinen Eltern. Manche Dinge sind nicht so, wie man sie gerne hätte, aber es ist oft einfacher zu versuchen damit zu leben, als ständig einen neuen Anlauf zu starten, um sie zu korrigieren.

Sie sind mittlerweile selbst Mutter. Was hat sich damit verändert?
Erst mal finde ich es verrückt, dass man überhaupt Eltern werden darf, ohne einen Führerschein zu machen. Es ist schon ein bisschen gruselig, wieviel Macht Eltern über Kinder haben. Ich bin immer noch dieselbe Person, aber natürlich ist der Tagesablauf ein anderer und dadurch auch mein kreativer Prozess. Außerdem hatte ich die meiste Zeit meines Lebens große Angst vor dem Tod. Das Muttersein hat dieses Gefühl transformiert.

Inwiefern?
Die Angst ist weg. Ich habe mittlerweile nicht mehr das Gefühl, dass mein Tod für mich persönlich schlimm wäre. Ich fürchte mich eher davor, Menschen zurückzulassen. Vielleicht kommt das daher, dass man als Elternteil so wenig Zeit hat, sich um sich selbst Gedanken zu machen. Man sorgt sich stattdessen um die Kinder.

Was hilft am besten beim Wachsen?
Empathie, glaube ich. Und damit meine ich nicht situationsbedingtes Mitgefühl, sondern die Bereitschaft, sich in Leute hineinzuverset- zen, die ein ganz anderes Leben führen. Ich habe oft das Gefühl, dass viele vor allem den Menschen gegenüber empathisch sind, die einen ähnlichen Weg gegangen sind wie sie selbst. Und je divergenter die Geschichte ist, desto weniger Akzeptanz und Respekt hat man vor gewissen Einstellungen oder Sichtweisen. Mir aber hilft Empathie dabei, komplexe Dinge zu verstehen. Und ich glaube, es würde der Gesellschaft sehr guttun, wenn man das mit mehr Kraft versuchen würde. Denn wahre Empathie fehlt, nicht nur derzeit, sondern immer.


Mine

Mine
Baum

Virgin, 02. Februar

Mine ist eine große Freundin von Veränderungen und das hört man „Baum“ an. Die 15 Songs lassen sich in keine Schublade zwängen. „Nichts ist umsonst“ sprudelt als lupenreine Pop-Nummer vor Energie über, „Copycat“ rechnet mit Auto-Tune und Hip-Hop-Einflüssen mit vibrierenden Beats in nur einer Minute mit dem Ideenklau in der Musikwelt ab, während „Ich weiß es nicht“ oder „Staub“ emotionale Singer-Songwriter-Nummern sind, die mit ihren cleveren Texten mitten ins Herz treffen.

Katharina Raskob