Musik

09.02. | Album der Woche

Die Sterne • Grandezza

PIAS

09.02. | Album der Woche - Die Sterne  • Grandezza

Foto: Brigitta Jahn


Tausend Ideen

Die Sterne spendieren sich ein Greatest-Hits-Album, das den Erfolg nach eigenen Maßstäben definiert. Ihr Sänger sagt: »Protest darf nicht lapidar sein.«

Dass seine Sterne zeitlos sind, hat Frank Spilker erst neulich wieder bei einem Blick ins Publikum gemerkt. Viele der Anwesenden waren jünger als seine älteren Songs, die Texte kannten sie trotzdem auswendig. »Bei so einem Altersabstand geht es ja nur über die Inhalte«, sagt der Sänger, dessen chronisch schlecht gelaunte Stimme seit dreißig Jahren die Unzufriedenheit mit der Gesamtsituation auf den Punkt bringt. Wenn es eine Philosophie gibt, die seine Band verkörpert, dann ist es »die Haltung, dass man sich nicht kaufen lässt, dass man sich gerade macht für das, woran man glaubt.« Damals, als man für diese textlastige Musik noch das Genre der Hamburger Schule erfand, waren die Sterne ganz vorne mit dabei, dem gesellschaftlichen Status Quo mit Sarkasmus auf die Pelle zu rücken, mittlerweile zählt die Band zu den dienstältesten Szene-Veteranen. »Musik an der Grenze von Protest zu Sabotage« hätte ihm von Anfang an vorgeschwebt, sagt Frank Spilker, der anlässlich des dreißigjährigen Jubiläums auch ein bisschen stolz auf das Erreichte ist. Zu Buche stehen Songs wie »Was hat dich bloß so ruiniert« und »Universal Tellerwäscher«, der Slogan »Fickt das System« ist noch das Unhöflichste an dieser sonst so höflichen und artikulierten Band. Die Revolution ein bisschen tanzbarer gemacht zu haben, gehört genauso zu ihren Verdiensten wie die deutsche Sprache ein bisschen gelenkiger klingen zu lassen, und die Botschaft stimmt natürlich auch. Im Grunde sei es ihm mit seiner Musik immer darum gegangen, »Werbung für Menschenrechte« zu machen, nur eben nicht auf die pädagogisch-didaktische Art der Liedermacher, sondern mit giftigen Texten und erstaunlich eingängigem Rhythmus. Dieser Zugang ist gut gealtert, denn die Songs auf »Grandezza« klingen immer noch so frisch wie gestern erst geschrieben. Da spielt es fast keine Rolle, dass Hits im eigentlichen, kommerziellen Sinne für die Sterne immer ein bisschen zu hoch hingen. Ein wenig Selbstironie ist daher auch dabei, wenn Frank Spilker über die Songauswahl spricht. Nicht »die Sachen, die versteckt gut sind,« sind auf dem Best-of-Album gelandet, sondern die, »die schon beim ersten Hören zünden.« Herausgekommen ist ein Soundtrack für Idealisten, Diskurs-Musik in der Ästhetik von Pop, aber ohne seine Beiläufigkeit. »Tausend Ideen« hätte er in den letzten dreißig Jahren gehabt, wie man diese Ansprüche miteinander verheiraten kann, sagt Frank Spilker. Fertig damit ist er noch lange nicht.


Die Sterne

Die Sterne
Grandezza

Pias, 09. Februar

Die größten Erfolge der Sterne haben sich nicht unbedingt in den Hitparaden platziert, sind dafür aber fest im deutschen Indierock-Bewusstsein verankert. Da ist die Halbwertzeit im Zweifel länger und die Relevanz größer. Die (Wieder-)Begegnung mit den jung gebliebenen Songs offenbart ein listiges Geheimrezept: Der undeutsch geschmeidige Groove verführt zum Hinhören, die Texte zum Wiederkommen. Der sogenannten Hamburger Schule sind die Sterne längst entwachsen, dafür sind ihre Songs moderne Klassiker.

Markus Hockenbrink