Yehuda Blum
„Die Bereitschaft zum Kompromiss ist eine Schwäche des Westens.“
Zur Person
Yehuda Blum wurde am 02.10.1931 in Bratislava geboren. Auf der Flucht vor den Nationalsozialisten zog die jüdische Familie 1940 nach Budapest und wurde im Juni 1944 von der SS in das KZ Bergen-Belsen deportiert. Nach monatelanger Gefangenschaft kam die Familie im Dezember 1944 in die Schweiz und reise im August 1945 in das damalige Palästina (heute Israel) weiter. Yehuda Blum lehrt als Professor für Internationales Recht in Jerusalem. Als Botschafter Israels in der UNO (1978-1984) vertrat er das Land auf höchster Ebene und nahm an vielen Konferenzen teil, u. a. 1978 am Camp David-Abkommen zwischen Israel und Ägypten zur Friedenssicherung im Nahen Osten.
05.07.2006, Hannover. Es ist der Tag nach der deutschen Halbfinalniederlage gegen Italien. Yehuda Blum leidet ein wenig unter der Hitze, kommt im kühlen Foyer aber bei gewichtigen Themen aus Vergangenheit und Gegenwart in einen Redefluss. Er erzählt spannend, provokant und humorvoll.
Herr Blum, Deutschland feiert sich als guten Gastgeber und fröhliche Nation. Von den Autos weht es Schwarz-Rot-Gold, ein aufkeimender Patriotismus ist allgegenwärtig. Wie empfinden Sie das?
Yehuda Blum: Die Fahnen stören mich nicht besonders. Das sind nicht die Hakenkreuzfahnen, an die ich mich erinnere, sondern die der Weimarer Republik, die von den Nazis als Judenrepublik bezeichnet wurde. Was ich aber in den vergangenen Wochen auch erkannt habe: Das was Sie Patriotismus nennen, kann schnell in Richtung eines chauvinistischen aggressiven Nationalismus kippen.
Woran machen Sie das fest?
Oliver Bierhoff, der Manager Ihrer Nationalmannschaft, hat gesagt: „Die Welt hat wieder Angst vor uns.“ Natürlich, er meint den Fußball. Aber eine solche Aussage – egal mit welchem Bezug – irritiert die Welt. Man liest auf der Autobahn die Schilder „Die Welt zu Gast bei Freunden“. Das mag zu Beginn der Weltmeisterschaft so gemeint gewesen sein, aber es ist manchmal umgeschlagen.