Rafa Ortiz
„Mein Lebens-Credo lautet: Stirb erschöpft.“
Zur Person
Rafael Ortiz, genannt Rafa, kam 1987 in Mexiko-Stadt zur Welt. In jungen Jahren zog er mit seiner Familie nach Veracruz, wo er mit dem Kajaksport begann. Zunächst perfektionierte er seine Fähigkeiten in der Disziplin 'Freestyle' und war 2005 der erste Mexikaner überhaupt, der an den „World Freestyle Championships“ teilnahm. Als ihm das zu langweilig wurde, verfolgte er fortan ein neues Ziel: das Abreiten immer höherer Wasserfälle. Erste Aufmerksamkeit erreichte er durch seinen Ritt über die 42 Meter hohen Big Banana Falls in Veracruz als erster Kanut der Geschichte. 2012 stellte er einen Weltrekord im Kajaksport auf, als er die knapp 60 Meter hohen Pallhouse Falls in den USA bezwang. Gleich darauf machte er sich an die Planung seines bislang größten Abenteuers: ein Ritt über die Niagarafälle.
15.08.2016, Los Angeles. Es ist neun Uhr morgens Ortszeit, als wir Rafa Ortiz per Videoskype zu Hause erreichen. Die Haare noch wuschelig liegt er auf der Couch, ist aber im Kopf bereits hellwach. Ortiz ist einer dieser jungen Extremsport-Helden, der Unmögliches wagt: Mit seinem Kajak bezwingt er bis zu 60 Meter hohe Wasserfälle. Über sein bislang größtes Projekt, das Befahren der Niagarafälle in einem Kajak – ein Stunt, der noch nie zuvor gewagt wurde – wurde nun der Film „Chasing Niagara“ gedreht. Wir sprechen über seine Beziehung zum Risiko und zu den Naturgewalten, über Höhenangst und Lebensmut, aber auch über die Coolness, die darin liegt, einmal „Nein!“ zu sagen. Dabei erweist sich Ortiz als ein wunderbares Beispiel für einen jungen Mann, der alles für seine Träume tut – und der Natur näher ist als die meisten von uns.
Herr Ortiz, was muss im Leben eines Menschen passiert sein, damit sein größter Traum das Hinabfallen von rund 60 Meter hohen Wasserfällen in einem Kajak wird?
Ich wurde geboren in Mexiko-Stadt und wuchs damit weit entfernt von jedem Fluss auf. Die Kraft des Wassers war für mich also eine sehr abstrakte Größe. Was sich dann zunächst entwickelte, war die Liebe zu einem ganz bestimmten Sport, dem Kajakfahren, auch diese zunächst abstrakt, mangels Wassers in meiner Umgebung. Skateboard, BMX-Rad, alles, was Teenager sonst so für sich entdecken, wirkte auf mich nicht spannend. Stattdessen fand ich von klein auf den Gedanken wunderbar, mit einem Kajak der normalen – oder sagen wir ruhig realen – Welt zu entkommen. Etwas ganz anderes zu tun, mich irgendwie auf sehr direkte Weise mit der Natur zu verbinden. Dann zogen wir um nach Veracruz. In der Nähe der Farm, auf der wir lebten, gab es einen Fluss, weshalb mir mein Vater mein erstes Kajak schenkte. Ab diesem Moment war es um mich geschehen. Zunächst widmete ich mich noch einem anderen Bereich des Kajak-Sports, dem Freestyle, bei dem man versucht, so viele Tricks wie möglich in Stromschnellen zu machen. Doch das langweilte mich relativ schnell. So entstand die nächstgrößere Idee: das Bezwingen von Wasserfällen.
Wie steigt man in ein derart waghalsiges Abenteuer ein?
Zu meinem Glück bot der Fluss in der Nähe unserer Ranch ungewöhnlich viele Wasserfälle. Eines Tages stieß ich auf ein paar Jungs, die sich auf die Expedition machten, einen etwa 15 Meter hohen Wasserfall mit einem Kajak zu bezwingen. Ich schloss mich ihnen einfach an und bevor sie ablehnen konnten, saß ich schon in meinem Kajak und hatte entschieden: Den Ritt machst du mit. Ich ließ mir noch ein paar Tipps und Hinweise geben, und los ging‘s.