Khaled Kalifa
„Ich will hier sein, wenn dieses Land in die Freiheit aufbricht.“
08. Mai 2020, Latakia, Syrien. Die Sonne scheint, die Wellen rauschen, Freunde sitzen beieinander. Man könnte für den Augenblick fast vergessen, dass in diesem Land ein Krieg tobt. Doch die Tatsache, dass ich all das in Berlin auf meinem Handy sehe, ruft die Wirklichkeit in Erinnerung. 2.500 Kilometer Luftlinie entfernt wendet sich der syrische Autor Khaled Khalifa vom Meer ab und geht in das Strandhaus seiner Freunde, um deren Internetzugang für das Gespräch via WhatsApp zu nutzen. Wir sprechen über seinen neuen Roman »Keine Messer in den Küchen dieser Stadt« und den Seelenzustand der Syrer im zehnten Jahr des Bürgerkriegs.
Herr Khalifa, wir telefonieren über WhatsApp. Ist das ein sicherer Weg, miteinander in Kontakt zu treten? Ja, machen Sie sich keine Sorgen, wir können frei sprechen.
Wie und wo leben Sie momentan in Syrien? Seit Beginn der Coronakrise lebe ich in meinem kleinen Haus in Latakia am Meer. Es ist sehr spartanisch eingerichtet, deshalb bin ich gerade bei Freunden. Die haben im Gegensatz zu mir Strom und Internet. Dennoch geht es mir hier ganz gut, ich habe alles, was ich brauche, und bin gesund.
Wie wirkt sich das Virus auf den Alltag in Syrien aus?
Die Situation ist für uns Syrer sehr schwierig. Sollte Corona hier so richtig ausbrechen, dann geht das schlimm aus. Wir sind nach all den Kriegsjahren am Ende unserer Kräfte. Dazu kommt, dass es hier keine medizinische Versorgung gibt, die Menschen sind ganz auf sich allein gestellt. Aber bis jetzt sind wir zum Glück so gut wie verschont geblieben. Da es keinen Flugverkehr gibt, kann ja auch niemand das Virus von außen hierherbringen. So seltsam das klingt, aber das ist gerade unser Vorteil. Ich denke derzeit viel an meine Freunde in Deutschland, in Italien und überall sonst. Die Welt ist gerade ein Dorf, wir stehen alle vor der gleichen Herausforderung. Vielleicht ist das auch eine Chance.