Judith Holofernes
„Ich will nicht zu allen Dingen des Weltgeschehens eine Meinung entwickeln.“
Zur Person
Judith Holofernes (geboren am 12. November 1976 in Berlin) suchte sich ihren Künstler-Nachnamen nach dem Feldherr Holofernes aus Assyrien aus, von dem im Alten Testament erzählt wird, er wurde von der gottesfürchtigen Witwe Judit enthauptet. Nach sechs Jahren mit Kinderladen-Erziehung in Berlin-Kreuzberg zog Judith Holofernes mit ihrer Mutter, die in einer lesbischen Beziehung lebte, nach Freiburg, wo sie ihren ersten Kulturschock erlebte. Nach dem Abi ging sie zurück nach Berlin, wo sie 2000 die Band Wir Sind Helden gründete. Sie und Schlagzeuger Pola Roy heirateten 2006, das Paar hat zwei Kinder. Die Band kündigte 2012 eine Pause an, die noch andauert. Seitdem ist Judith Holofernes als Solomusikerin aktiv.
21.12.2016, Berlin. Es ist der zweite Tag nach dem Anschlag auf den Weihnachtsmarkt am Breitscheidplatz, in Kreuzberg verläuft das Leben vollkommen normal. Judith Holofernes hat das Café No Milk Today vorgeschlagen, das im alten Offiziersviertel am Südstern liegt, wo Kreuzberg wesentlich ruhiger ist. Es ist ihr erster Interviewtag nach längerer Pause; Anlass ist das neue Album „Ich bin das Chaos“. In der Platte stecken viele Themen – das war schon immer so, auch auf den Alben von Wir Sind Helden. Die neue Single heißt „Der letzte Optimist“, sie klingt todtraurig. Kann man in diesen Zeiten überhaupt noch optimistisch sein? Die Antwort findet sich im Gespräch, in dem sich die Musikerin als Twitter-Fan und Meinungsskeptikerin zeigt.
Frau Holofernes, sind Sie eine Optimistin?
Definitiv, ja.
In Ihrem Lied ist diese Optimistin jedoch am Boden zerstört. Wie konnte das passieren?
Ich war eines Nachts auf dem Weg nach Hause. Plötzlich und ohne echten Anlass überkam mich die Erinnerung daran, wie sich echter, wirklich schlimmer Liebeskummer anfühlt. Nicht nur im Kopf, sondern auch körperlich. Dieser Kummer wirkt zerstörerisch, man fühlt eine echte Übelkeit, ist am Boden zerstört. Ich dachte mir, wenn diese absolute Hoffnungslosigkeit einem Pessimisten widerfährt, dann hat er es wenigstens kommen sehen. So richtig traurig wird es aber erst, wenn jemand diesen Kummer erfährt, der sonst überall nur das Gute sieht.