Harald Welzer

Harald Welzer

„Das Gegebene wird nicht bleiben.”

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  • Lena Giovanazzi
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21. Juli 2023, Berlin. Der Soziologe Harald Welzer betritt ein wenig imposantes Büro im ansonsten recht imposanten Allianz-Forum am Pariser Platz direkt neben dem Brandenburger Tor. Er ist dort im Anschluss mit einer Stiftungsvorsitzenden verabredet, es geht mal wieder um Visionen einer nachhaltigen und zukunftsfähigen Gesellschaft. Wie man denn sein neues Buch gefunden habe? Etwas doomig, antwortet der Interviewer. »Scheiße«, sagt Harald Welzer. Sein Blick auf die Gegenwart zwischen Klimakrise und Ukraine-Krieg mag düster ausfallen – als apokalyptischer Zyniker will Harald Welzer jedoch nicht gelten.

Harald Welzer, lassen Sie uns 20 Jahre in die Zukunft blicken, Deutschland ist nach seinen eigenen Vorgaben bis dahin klimaneutral, der Deutschlandtakt bei der Bahn nur noch 30 Jahre entfernt, wir wären fünf Legislaturperioden weiter. Was für ein Land sehen Sie?

Wahrscheinlich ein komplett anderes, als man es jetzt imaginiert. Aus meiner Sicht werden die klimatischen, ökologischen und politischen Verwerfungen der nächsten zwei Jahrzehnte so heftig sein, dass man einem Jahr 2023 wahrscheinlich hinterhertrauern und sagen wird: Na, da war ja noch alles halbwegs in Ordnung.

Was meinen Sie konkret mit Verwerfungen?

Wir diskutieren die Klimafrage völlig verkürzt, weil wir eben nur über das Klima reden und wenn es hochkommt, vielleicht noch über Energie. Aber wir diskutieren viel zu wenig darüber, in welcher Weise sich die Lebens- und Überlebensbedingungen von Menschen und damit auch die konstitutiven Bedingungen für Rechtstaat und Demokratie verändern werden. Gerade stecken wir in einer Art Schlafwandler-Situation. Alle erzählen sich zwar, dass es schlimm wird – aber immer noch im Rahmen des Gegebenen. Dieser Rahmen wird aber so nicht bleiben.

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