Hans-Joachim Roedelius
„Die erste Musik meines Lebens waren Bomben und Granaten.“
Zur Person
Hans-Joachim Roedelius kam am 26.10.1934 zur Welt und spielte schon als Kind in einigen UFA-Filmen mit. Ende 1967 gründete er mit Conrad Schnitzler das „Zodiak Free Arts Lab“ in Berlin, es war der Beginn seiner musikalischen Laufbahn. Neben seiner dauerhaften Formation Kluster/Cluster und dem mit Dieter Moebius und Michael Rother gegründeten Projekt Harmonia arbeitete Roedelius ab 1978 auch als Solokünstler. Bis heute erschienen weit über 100 Alben unter seiner Mitwirkung, auf keinem findet sich konventionelle Musik. Stattdessen experimentiert Roedelius mit zahllosen Stilen und Klängen, gilt als Pionier der elektronischen Musik und wendet sich zunehmend auch romantisch-nocturalen Piano-Miniaturen zu. Hans-Joachim Roedelius lebt mit seiner Frau in Lunz bei Wien, wo er auch das „More Ohr Less“-Festival organisiert.
10.08.2015, Lunz bei Wien. Hans-Joachim Roedelius, der Pionier der avantgardistischen Musik, der mit Formationen wie Cluster, Kluster und Harmonia zur Krautrock-Legende wurde, empfängt daheim. Im Gehen ist der bald 81-Jährige etwas schwächlich, im Gespräch dafür umso lebendiger und wacher. Innerhalb von rund 90 Minuten streifen wir viele Ebenen seiner Kunst – von der historischen über die politische bis zur emotionalen. Dabei erfahren wir unter anderem, dass jemand, der weit über 100 Platten veröffentlicht hat, sich deswegen nicht unbedingt als Musiker fühlen muss.
Herr Roedelius, nähern wir uns Ihrem musikalischen Kosmos zunächst mit einer ganz allgemeinen Frage: Was bedeutet künstlerische Freiheit für Sie?
Hans-Joachim Roedelius: Alles. (lacht) Was soll man mehr sagen? Ich bin gnadenlos künstlerisch frei, daher kann ich das für mich ganz besonders in Anspruch nehmen. Ich lasse mir überhaupt nicht reinreden. Vielleicht hat es deshalb auch so lange gedauert, bis das, was ich mache, draußen ankam.
Sie haben sich nie unfrei gefühlt in Ihrer Arbeit?
Nein, ich war von Anfang an vollkommen frei. Und nachdem ich mich entschieden hatte, in die Kunst einzusteigen, ist es von Tag zu Tag sogar noch freier geworden. Na gut, ich habe in der DDR mal im Knast gesessen, da war ich wirklich unfrei. Ich weiß auch nicht, ob das wirklich sein musste, aber jetzt ist es eben ein Teil in meinem Curriculum, den ich nachträglich absegnen muss, weil er mir eben auch viel gebracht hat.