Nachruf

Zum Tod von Wolfgang "Wölli" Rohde

Das erste Interview

Die Toten Hosen sind kein Thema, das im Kontext von GALORE eine Rolle spielt. Die journalistische Gattung des Interviews als Herz und Seele des Magazins spielt hingegen die größte Rolle. Und wer weiß: Wäre das allererste offizielle Interview meines Lebens nicht so motivierend und herzensfreundlich abgelaufen, wie es abgelaufen ist, hätte ich Mikrofon und Notizblock womöglich früh an den Nagel gehängt und wäre heute nicht Chefredakteur dieser wunderbaren Zeitschrift. Der Gesprächspartner, der mich im Herbst 1996 bestärkt diese Laufbahn starten ließ, hieß Wolfgang "Wölli" Rohde und ist gestern im Alter von 66 Jahren gestorben.

Den nervösen und zugleich faszinierten 19-jährigen Oliver Uschmann empfing Wölli am 9. Oktober 1996 im Backstage der Niederrheinhalle, dem größten Veranstaltungsort meiner Geburtsstadt Wesel. Für den Bürgerfunk hatte ich als freier Mitarbeiter bereits ein paar lokale Charaktere befragt, doch der Schlagzeuger der Toten Hosen war der erste Prominente, dem ich in der Rolle als Journalist gegenüber saß. An einem schlichten Klapptisch, beiläufig umwuselt vom Rest der Band, die ich seit dem zehnten Lebensjahr hörte, zwischen deckenhoch gestapelten Bierkisten, von denen ich mich fragte, ob sie allein für diese paar Männer gedacht waren. Vom ersten Augenblick an nahm Wölli mir die Angst, ohne mich dabei wie ein Kind zu behandeln. Durch seine aufrichtig herzliche Art gelang es ihm, mich einerseits väterlich zu beruhigen und mir andererseits gleichzeitig das Gefühl zu geben, ein genauso ernstzunehmender Teil der Pressemenschen zu sein wie die "Profis", die einen Raum weiter bei Breiti oder Campino saßen. Selbst mit meiner heutigen Berufserfahrung und den Kenntnissen darüber, welch kolossal große Lust speziell Schlagzeuger auf Interviews mit kleinen Lokalradioreportern haben, bin ich mir rückblickend sicher: Über dieses Gespräch hat Wölli damals nicht innerlich die Augen gerollt.

Das lag allerdings auch daran, dass ich ihm umgekehrt entgegenbrachte, was nahezu jeden Gesprächspartner auftauen lässt: Wahres Interesse, Ahnung von seinem Lebenswerk und Respekt ohne devote Bewunderung. Sicher, ich war Fan und schubste mich nur wenige Stunden später am Abend mit ein paar tausend jungen Männern während des Konzerts durch die Gegend, während ich die aktuellen Songs von "Opium fürs Volk" mitbrüllte. Aber hier, am Klapptisch zwischen den Bierkästentürmen, stellte ich handfeste Fragen zu Musik, Politik und Gesellschaft. Letztere war dem Mann, der von 1986 bis 1999 als Nachfolger von Trini Trimpop und Vorgänger von Vom Ritchie bei den Toten Hosen spielte, stets wichtig gewesen. Im Sinne von "mit Menschen beisammen sein", aber auch im Sinne von Engagement. Noch im letzten Jahr legte er sich in seinem Wohnort Meerbusch anlässlich einer NPD-Demo mit der Polizei an; da war er bereits am Nierenkrebs erkrankt, der ihm letztlich das Leben kostete. Ebenfalls letzten Sommer sang er vor 70.000 Menschen in Leipzig die Hosen-Hymne "Steh auf, wenn Du am Boden bist", die an dem Tag ihm und dem Kampf gegen die Krankheit gewidmet war.

Im Stadion von Fortuna Düsseldorf lebt indes ganz aktuell eine Hymne weiter, die er selber ursprünglich für die Düsseldorfer EG, den Eishockey-Club der Stadt, geschrieben hat. Erst vor zwei Wochen ging durch den Ticker, dass "Alles nochmal von vorn" nun auch ab sofort die 11 Jahre lang gesungene Heimspielhymne "95 olé" im Fußballstadion ablöst.

Den Radiobeitrag, der im Herbst 1996 kurze Zeit nach dem Konzert im Weseler Bürgerfunk lief, besitze ich heute noch. Auf Kassette, mit der damals auch die Gespräche aufgezeichnet wurden, sowie auf großem Tonband, welches man kurz vor der Umstellung auf Computerbearbeitung damals im Tonstudio im Keller der Volkshochschule noch per Hand zu schneiden lernte. Eine Form "alter Schule", die auch Wölli gefiel, als ich sie vor 20 Jahren, langsam ruhiger werdend, beim einleitenden Small Talk erwähnte.

Oliver Uschmann
(Chefredakteur)