Nachruf

Zum Tod von Miriam Pielhau

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Ein dermaßen vielseitiges Leben, wie es die vor drei Tagen verstorbene Moderatorin, Schauspielerin und Autorin Miriam Pielhau geführt hat, sorgt dafür, dass jeder, der auf dieses Leben zurückblickt, an vollkommen andere Stationen denkt. So mögen manche sie bis heute als Radiostimme der frühen Jahre von 1LIVE im Ohr haben, andere denken an Boulevard-, Frühstücks- oder Reality-TV wie "taff" oder "Weck Up". Pielhau moderierte eine Staffel von "Big Brother" ebenso wie den Dresdner Opernball. Vielen an Krebs erkrankten Menschen wird sie mit ihren Büchern "Fremdkörper" und "Dr. Hoffnung" geholfen haben; letzteres erst im März erschienen.

Das Bild, das mir allerdings als erstes in den Sinn kam, als ich vom erschütternd frühen Tod Miriam Pielhaus hörte, war das Bild eines Studios aus behaglichen Backsteinwänden. Backsteinwände, zwischen denen in Form offener Inseln Tische mit Computern standen, vor denen sich junge Menschen tummelten, um im Fernsehen in aller Ruhe über Kino, Musik, Funsport, Freizeit, vor allem aber über Videospiele und das Internet zu sprechen. Dieses seltsame und faszinierende Netz war schließlich damals neu. Man betrat es noch mittels Hilfe klickernder, klackernder und komische Elektronikgesänge von sich gebender "Modems". Wollte man als Redakteur schnell an eine Information herankommen, lief man "dank" des überschaubaren Netztempos immer noch eher zum Lexikonregal. Fragen wie die, wie genau man nun eine E-Mail schreibt oder einen Browser konfiguriert, wurden im Backsteinstudio von den "Netzreportern" in aller Ruhe erklärt und beantwortet.

Die Rede ist von der Kultsendung GIGA, die ursprünglich auf NBC Europa startete und sich später zu einem eigenen Fernsehsender auswuchs. Der ersten Sendung, die das Publikum so viel wie möglich beteiligte. Der bis heute einzigen Sendung, in der die Gäste gegen Ende hin mit einem der Reporter als Ritual eine Runde "Tekken" spielten und sich gegenseitig mit den Kultfiguren aus dem legendären Kampfsportspiel prügelten. Einer Nische aus Backstein, Beats und bunten Bildschirmfarben, in der damals jeder gerne verschwand, den man heute einen "Nerd" oder "Geek" nennen würde; gefühlte Äonen vor YouTube und "Lets play"-Videos.

Es war Miriam Pielhau, die am Nachmittag des 30. November 1998 den Sender mit den Worten startete: "Wir sind hier, ihr seid da, das ist wunderbar." Eine Sonnenbrille lässig ins Haar gesteckt erklärte sie: "Wir starten heute ein fantastisches, einzigartiges Programm, ab heute und für immer, von montags bis freitags, 15 bis 20 Uhr, heißt es hier bei NBC Europe GIGA - The Future is you!"

"Für immer" bedeutete im Falle der Sendung GIGA bis Ende März 2006 und im Falle der Fernsehstation bis Ende 2009. Das Experiment war, auch und gerade in der charmanten Unprofessionalität seiner ganz frühen Tage, prägend für die Zeiten, die da später mit einem wirklich schnellen Netz und dem Aufbrechen des klassischen Fernsehsenders als Medium folgen sollten. "GIGA", ab 2001 von Pielhau auch als Chefredakteurin geleitet, war die Antithese zum aalglatten Fernsehen der Abgezockten und gehört bis heute zum geliebten Gedächtnis vieler leidenschaftlicher Gamer dieses Landes, zu denen auch ich mich zähle. Die gesamte Fachpresse dieser mittlerweile großen Nische stellt derzeit Nachrufe ins Netz. "Wir verneigen uns vor einer starken Frau und tollen Moderatorin, die mit GIGA eine ganze Generation prägte", schreibt etwa Jan Michelsen von buffed und, klar und wahr: "Die Krankheit Krebs ist ein Arschloch! Da gibt es keine zwei Meinungen!" Ein alter Claim von GIGA lautete: "Spielen geht immer." Für ihre Arbeit bei GIGA erhielt Miriam Pielhau den Grimme Online Award.

Oliver Uschmann (Chefredakteur)