Berlinale 2017

Zum Auftakt - Die 67. Filmfestspiele in der Übersicht

GALORE Autorin Edda Bauer berichtet für uns während der 67. Filmfestspiele direkt aus Berlin und schildert regelmäßig ihre Eindrücke.


„Erst kommt das Fressen, dann kommt die Moral.“
Seit einigen Jahren schon nimmt die Berlinale diese einst gewonnene Erkenntnis des Wahlberliners Bertolt Brecht sehr wörtlich. Einen Tag bevor der festliche Rummel in rund 30 Kinosälen der Stadt losgeht, eröffnet Festivaldirektor Dieter Kosslick draußen am Potsdamer Platz den Street Food Markt.

Sind Chili und Espresso tags drauf ins Blut gegangen, startet der Wettbewerb mit Gypsy Swing und Widerstand. Im Eröffnungsfilm „Django“ hält sich ein höllisch guter Gitarrist geschickt mörderische Rassisten vom Hals. Was wie zwei halbe Tarantinos klingt, ist tatsächlich ein echtes Stück Leben, nämlich das des Sinti Django Reinhardt im besetzten Paris des Jahres 1943. „Django“ ist eine von vier verfilmten Künstler-Biografien im Wettbewerb. In einer weiteren, dokumentarisch aufbereiteten, verspricht der deutsche Regisseur Andres Veiel, in Sachen „Beuys“ endlich mit dem alten Putzfrauen-Witz - „Ist das Kunst oder kann das weg?“ - aufzuräumen.

Volker Schlöndorff indessen widmet sich in „Rückkehr aus Montauk“ der filmischen Aufbereitung von Max Frischs autobiografisch gesammelter und als Roman getarnter Liebschaften. Die Paarung Stellan Skarsgard und Nina Hoss verspricht dabei ähnlich spannend zu werden, wie einst die von Sam Shepard und Julie Delpy in „Homo Faber“.

Schauspieler Stanley Tucci inszeniert seinen Kollegen Geoffrey Rush in „Final Portrait“ als Bildhauer, Maler und Exzentriker Alberto Giacometti. Rush kennt sich bestens mit verschrobenen Genies aus, seit er genau von 20 Jahren als Pianist David Helfgott in „Shine“ Oscar-würdig dem Wahnsinn verfiel.

Apropos Wahnsinn. Der österreichische Kabarettist Josef Hader schwört Stein und Bein, absolut keine real existierende Person vor Augen gehabt zu haben, die er in seinem Regiedebüt „Wilde Maus“ als frisch gefeuerten Musik-Journalisten in den Irrsinn treiben kann. Vermutlich ist sein tragischer Held eher eine Mixtur aus sämtlichen Print-Feuilletonisten des deutschsprachigen Raums. Das ist zweifellos eine Frechheit sondergleichen! Aber unmoralisch ist es nicht, zumindest nicht aus der Sicht einer zarten Künstlerseele, wie Hader eine ist.

Insgesamt 24 Filme werden im Wettbewerb gezeigt. 18 davon können sich Hoffnungen auf einen der sieben silbernen oder gar den einen goldenen Bären machen. Vorausgesetzt sie finden Gnade in den Augen von Regisseur und Jury-Präsident Paul Verhoeven, seinem chinesischen Regie-Kollegen Wang Quan’an, den Schauspielern Maggie Gyllenhaal, Julia Jentsch und Diego Luna, der tunesischen Produzentin Dora Bouchoucha Fourati und dem bildenden Künstler Olafur Eliasson aus Island.

WETTBEWERB:

  • "Rückkehr nach Montauk" von Volker Schlöndorff (Deutschland), mit Nina Hoss, Stellan Skarsgard, Susanne Wolff
  • "Beuys" von Andres Veiel (Deutschland)
  • "Helle Nächte" von Thomas Arslan (Deutschland), mit Georg Friedrich, Tristan Göbel, Marie Leuenberger
  • "Wilde Maus" von Josef Hader (Österreich), mit Josef Hader, Pia Hierzegger, Georg Friedrich, Denis Moschitto
  • "Django" von Etienne Comar (Frankreich/Eröffnungsfilm), mit Reda Kateb, Cécile de France
  • "The Party" von Sally Potter (Großbritannien), mit Patricia Clarkson, Bruno Ganz, Cillian Murphy, Kristin Scott Thomas, Timothy Spall
  • "The Dinner" von Oren Moverman (Israel/USA), mit Richard Gere, Laura Linney, Steve Coogan, Rebecca Hall, Chloe Sevigny
  • "Die andere Seite der Hoffnung" ("Toivon tuolla puolen") von Aki Kaurismäki (Finnland)
  • "Félicité" von Alain Gomis (Frankreich)
  • "Pokot" von Agnieszka Holland (Polen)
  • "On the Beach at Night Alone" ("Bamui haebyun-eoseo honja") von Hong Sang-soo (Südkorea)
  • "Joaquim" von Marcelo Gomes (Brasilien)
  • "Mr. Long" von Hiroyuki Tanaka alias Sabu (Japan)
  • "Ana, mon amour" von Calin Peter Netzer (Rumänien)
  • "Colo" von Teresa Villaverde (Portugal)
  • "On Body and Soul" ("Teströl és lélekröl") von Ildiko Enyedi (Ungarn)
  • "Una Mujer Fantástica" von Sebastián Lelio (Chile)
  • "Einen schönen Tag noch" ("Hao ji le") von Liu Jian (China)

AUßER KONKURRENZ:

  • "Logan - The Wolverine" von James Mangold (USA), mit Hugh Jackman, Patrick Stewart
  • "Ein Kuss von Béatrice" ("Sage femme") von Martin Provost (Frankreich), mit Catherine Frot, Catherine Deneuve, Olivier Gourmet
  • "T2 Trainspotting" von Danny Boyle (Großbritannien), mit Ewan McGregor, Robert Carlyle, Jonny Lee Miller
  • "Viceroy’s House" von Gurinder Chadha (Großbritannien), mit Hugh Bonneville, Gillian Anderson, Manish Dayal
  • "El Bar" (Die Bar) von Álex de la Iglesia (Spanien)
  • "Final Portrait" von Stanley Tucci (USA), mit Geoffrey Rush, Sylvie Testud

Edda Bauer