72. Berlinale

Die Gewinnerinnen (und mitgemeinten Gewinner)

Foto: Goldener Bär. Alcarràs-Produzentin María Zamora mit Regisseurin Carla Simón. (c)Alexander Janetzko


Es ist ein gutes Zeichen, wenn einem erst bei der Verkündung des Großen Preises der Jury, also kurz vor Schluss der Zeremonie auffällt, dass bisher fast alle silbernen Bären in Frauenhände gelegt wurden.

Das Drehbuch von Laila Stieler zu „Rabiye Kurnaz vs. George W. Bush“ bekam einen – was als Überraschung gelten kann. Und Meltem Kaptan bekam einen für ihre Rabiye Kurnaz – was eigentlich nur Meltem Kaptan überraschte. Weil aber seit vergangenem Jahr die Darsteller-Bären nicht mehr an eine Frau und einen Mann vergeben werden, sondern geschlechtsneutral an die beste schauspielerische Leistung in einer Haupt- und in einer Nebenrolle, gewann auch Laura Basuki für ihre Darstellung eines Dienstmädchens im indonesischen Drama „Nana (Before, Now & Then)“ einen Bären.

Eine viel zu lange und groß klaffende Lücke im Trophäenschrank der französischen Regisseurin Claire Denis schlossen Jury-Präsident M. Night Shyamalan und seine sechs Juroren nun mit dem Silbernen Bären für die Beste Regie. Auch wenn das Ehedrama „Avec amour et acharnement (Both Sides of the Blade)“ mit Juliette Binoche und Vincent Lindon nicht unbedingt als ihr bester Film gilt, hat die Inszenatorin von „High Life“ (2018) und „35 Rum“ (2008) damit zum ersten Mal einen Preis im Wettbewerb eines der großen Filmfestivals der A-Kategorie gewonnen.

Ganz im Gegensatz zur mexikanisch-bolivianischen Filmemacherin Natalia López Gallardo, deren Jury-Preis in Gestalt eines Silbernen Bären für ihr Regiedebüt „Robe of Gems“ der Auftakt in eine zukünftige Karriere als Regisseurin sein könnte. Mit einer Mischung aus Krimi und Familiendrama entführt sie den Zuschauer in die ärmsten und gefährlichsten Regionen Mexikos.

Mit dem Großem Preis der Jury für „The Novelist’s Film“ des südkoreanischen Regisseurs Hong Sangsoo, der für den Berlinale Wettbewerb ein Dauerabo zu haben scheint und dem Silbernen Bären für die Herausragende Künstlerische Leistung, mit der der kambodschanische Dokumentarfilmer Rithy Panh in „Everything Will Be Ok“ dystopische Dioramen aus Knetgummi formte, wurden die einzigen beiden Männer mit Wettbewerbs-Trophäen ausgezeichnet.

Der Goldene Bär für den Besten Film ging dann nämlich wieder in weibliche Hände: „Alcarràs“ der spanischen Regisseurin Carla Simón mischte das Wettbewerbsfeld von hinten auf und machte sich zum Überraschungssieger der 72. Internationalen Filmfestspiele Berlin. Alles was diese sonnendurchflutete Tragödie zwischen Solarpanelen und letzter Pfirsichernte in Katalonien noch braucht, sind ein deutscher Verleih und Arthaus-Kinos, die ein wenig Platz im postpandemischen Spielplan freiräumen.

Edda Bauer