74. Internationale Filmfestspiele Berlin

Die Berlinale setzt ihre Segel

Die Berlinale setzt ihre Segel

Foto: Edda Bauer


Mit Oscar-Preisträgerin Lupita Nyong'o als Präsidentin der Jury starten heute, am 15. Februar, zum 74. Mal die Internationalen Filmfestpiele in Berlin, die gemeinsam mit den Festivals in Cannes und Venedig das große Trio der Branche bilden.

Und wieder geht am Potsdamer Platz eine Ära zu Ende. Schon Ende 2023 kündigte die geschäftsführende Leiterin Mariette Rissenbeek an, ihren auf fünf Jahre angelegten Vertrag aus Altersgründen nicht zu verlängern. Kurz darauf legte Kulturstaatsministerin Claudia Roth dem künstlerischen Leiter Carlo Chatrian nahe zu gehen, nachdem dieser nicht bereit war, die große Fregatte, die die Internationalen Filmfestspiele Berlin nun einmal sind, allein zu steuern. Das ist alles andere als eine angemessene Verabschiedung eines Intendant:innen-Duos, dem von der ersten Stunde an, der Wind hart ins Gesicht blies. Just während ihrer ersten Berlinale ließ ein Virus die Welt vor den Kinotüren zu einer anderen mutieren. In den Folgejahren galt es das Festival auf digitale Beine zu stellen, Termine für eine Sommerausgabe festzulegen und Open-Air-Kinos aufzubauen. Währenddessen brachen große Sponsoren weg (Audi, L’Oreal, Glashütte), Betreiber von wichtigen Abspielstätten aus (CineStar im Sony Center, das nun schon im dritten Jahr leer steht) und der öffentliche Verkehr zusammen, weil es der BVG gefiel, prompt zur Berlinale die U-Bahn-Station Potsdamer Platz zu sanieren. Jedes Jahr neue Sitzordnungen und Hygienekonzepte bei schwindendem Glamour-Faktor, und über allem schwebte die Aufklärungsarbeit der plötzlich entdeckten (hochrangigen!) Nazi-Vergangenheit des ersten Festivaldirektoren Alfred Bauer (1951 – 1976).

Auch wenn Rissenbeek und Chatrian alle Lecks zu stopfen vermochten - manche mittels Heftpflaster a la Verti Music Hall als Kinosaal, andere mit Hilfe des Finanz-Vorschlaghammers von +2€ pro Ticket -, hat die 74. Ausgabe der Internationalen Filmfestspiele Berlin immer noch leichte Schlagseite. Gut erkennbar ist das daran, dass es in diesem Jahr keine Flagge, also keine offizielle Tasche gibt, mit der Filmschaffende oder Überfilmschreibende die frohe Kunde eines grandiosen Festivals auf dem Rücken durch die Stadt tragen könnten.

So sind es also die geladenen Gäste, die die Fregatte zum Schiff der Träume machen müssen. Und an bekannten Namen mangelt es nicht: Martin Scorsese Gael García Bernal, Bérénice Bejo, Rooney Mara, Chiara Mastroianni, Cillian Murphy, Emily Watson, Matt Damon, Sidse Babett Knudsen, Isabelle Huppert, Riley Keough, Jesse Eisenberg, Lena Dunham, Stephen Fry, Adam Sandler, Carey Mulligan, Isabella Rossellini, Paul Dano, Amanda Seyfried, Kristen Stewart, Ed Harris, Dave Franco, Jason Schwartzman, Saoirse Ronan, Paapa Essiedu, Stephen Dillane, Irène Jacob. Das Who is Who der deutschsprachigen Schauspielkunst von Birgit Minichmayr über Lars Eidinger bis Corinna Harfouch und Sandra Hüller verteilt sich auf ein paar internationale Produktionen und auf die Sektion Panorama, ist aber vor allem auch in einem der drei deutsch (ko-)produzierten Filme im Wettbewerb zu sehen.

Es sind immer noch überwiegend weiße Menschen, die in der westlichen Welt als Filmstars gefeiert werden. Womöglich könnte sich durch diese Berlinale etwas daran ändern, denn auf alle Sektionen verteilt sind Filme, die entweder auf dem afrikanischen Kontinent spielen oder von einem afrikanischen Land ko-produziert wurden. Allein im Wettbewerb finden sich vier davon: die Dokumentation „Dahomey“ über die Rückgabe geraubter Kunstschätze an den Staat Benin, die chinesisch-ivorische Liebesgeschichte „Black Tea“, das Nilpferd-Drama „Pepe“ und „Mé el Aïn (Who Do I Belong To)", ein Familiendrama, mit dem die kanadisch-tunesische Regisseurin Meryam Joobeur ihr Spielfilmdebüt gibt.

Den Juryvorsitz hält in diesem Jahr die in Mexico City geborene Kenianerin Lupita Nyong’o, die mit ihrer Nebenrolle in „12 Years a Slave“ 2015 mit dem Oscar ausgezeichnet und als Nakia im „Black Panther“ Franchise weltberühmt wurde. Um den einen Goldenen und die sieben Silbernen Bären gerecht zu verteilen, stehen vier Regisseur*innen Ann Hui (Hongkong, China), Albert Serra (Spanien), Christian Petzold (Deutschland) und Brady Corbet (USA), die italienische Schauspielerin Jasmine Trinca und die ukrainische Schriftstellerin Okzana Zabuzhko zu Seite.


WETTBEWERB:
„A Different Man“ von Aaron Schimberg (USA)

„Another End“ von Piero Messina (Italien)

„Architecton“ von Victor Kossakovsky (Deutschland / Frankreich) Dokumentarfilm

„Black Tea“ von Abderrahmane Sissako (Frankreich / Mauretanien / Luxembourg / Taiwan / Elfenbeinküste)

„La Cocina“ von Alonso Ruizpalacios (Mexiko / USA)

„Dahomey“ von by Mati Diop (Frankreich / Senegal / Benin) Dokumentarfilm

„L'empire“ (The Empire) von Bruno Dumont (Frankreich / Italien / Deutschland / Belgien / Portugal)

„Gloria!“ von Margherita Vicario (Italien / Schweiz)

„Hors du temps“ (Suspended Time) von Olivier Assayas (Frankreich)

„In Liebe, Eure Hilde“ von Andreas Dresen (Deutschland)

„Keyke mahboobe man“ (My Favourite Cake) von Maryam Moghaddam, Behtash Sanaeeha (Iran / Frankreich / Schweden / Deutschland)

„Langue Étrangère“ von Claire Burger (Frankreich / Deutschland / Belgien)

„Mé el Aïn“ (Who Do I Belong To) von Meryam Joobeur (Tunesien / Frankreich / Kanada / Norwegen / Katar / Saudi Arabien)

„Pepe“ von Nelson Carlos De Los Santos Arias (Dominische Republik / Namibia / Deutschland / Frankreich)

„Shambhala“ von Min Bahadur Bham (Nepal / Frankreich / Norwegen / Hong Kong, China / Türkei / Taiwan / USA / Katar)

„Small Things Like These“ von Tim Mielants (Irland / Belgien) Eröffnungsfilm

„Sterben“ von Matthias Glasner (Deutschland)

„Des Teufels Bad“ von Veronika Franz, Severin Fiala (Österreich / Deutschland)

„Vogter“ (Sons) von Gustav Möller (Dänemark / Schweden)

„Yeohaengjaui pilyo“ (A Traveler's Needs) von Hong Sangsoo (Südkorea)

Die Berlinale findet vom 15. bis 25. Februar statt. Mehr Informationen unter berlinale.de

Edda Bauer