73. Int. Filmfestspiele Berlin

Die Animationsfilme der Berlinale

Die Animationsfilme der Berlinale

Fantasie ohne Realitätsflucht

Neun abendfüllende und elf kurze Animationsfilme finden sich im Programm der diesjährigen Berlinale. Obendrein noch zwei Werkschauen mit Cartoon-Klassikern. Doch es ist nicht die Anzahl der Trickfilme, die allein schon beeindruckend ist, sondern der prominente Platz, der ihnen bei der 73. Ausgabe dieses großen Filmfests eingeräumt wurde: das japanische Fantasy-Drama „Suzume“ und die schwarzhumorige Coming-of-Age-Komödie „Art College 1994“ konkurrieren im Wettbewerb und mit dem Kriegsdrama „Die Sirene“ wurde die Sektion Panorama eröffnet.

Gerade einmal 21 Jahre ist es her, dass mit Hayao Miyazakis „Chihiros Reise ins Zauberland“ überhaupt ein animierter Film ins offizielle Rennen um den Goldenen Bären geschickt wurde – und diesen dann natürlich auch gleich gewann (ihn sich allerdings mit Paul Greengrass‘ Irland-Tragödie „Bloody Sunday“ teilen musste). 80 Jahre zuvor, um eine weitere beeindruckende Zahl ins Spiel zu bringen, ging Walt Disney mit dem Zeichentrickfilm „Cinderella“ erstmalig auf Eroberungszug von Kinder- und Erwachsenenherzen. Rechnung wird dem in den 90 Minuten von „100 Years of Disney Animation – A Shorts Celebration“ getragen, in denen selbstredend auch an die erste Begegnung mit diesem Nager mit den unmausig runden Ohren erinnert wird (1928 in „Steamboat Willie“).

Es ist leicht mit Animationsfilmen, die sich schon allein durch ihre Machart von der Realität abheben, ins Reich der Fantasie abzugleiten. Oft und gerne wird das mit Realitätsflucht in eine gewisse Sorglosigkeit verwechselt. Was aber, wenn die Fantasie gar nicht so unbeschwert ist? Schon der Humorist und Cartoonist Loriot wusste um diesen Umstand und vermochte ihn aufs Allerfeinste ins absurd Hyperrealistische zu steigern. Eine Badewanne, eine Ente, einen Dr. Klöbner und einen Herrn Müller-Lüdenscheid, mehr brauchte und braucht es eigentlich nicht, um deutschsprachigen Menschen Lachtränen in die Augen zu treiben. Den 100. Geburtstag hätte Vicco von Bülow in diesem Jahr gefeiert. 31 Cartoons aus den Jahren 1967 bis 1993 zusammengefasst in „Loriots große Trickfilmrevue“ (Berlinale Special und Kinostart 20.4.), sollen darüber hinwegtrösten, dass er schon 2011 verstorben ist.

Als Zuschauer*in macht man sich nur selten Gedanken darum, wie lange es dauert, einen abendfüllenden Trickfilm auf die Beine zu stellen. Die iranisch-französische Regisseurin Sepideh Farsi brauchte von der ersten Idee bis zum letzten Schliff ganze acht Jahre. Ihr Coming-of-Age-Drama „Die Sirene“ spielt zwar vor dem Hintergrund des Iran/Irak-Kriegs, doch die Botschaft des Films ist zutiefst pazifistisch und menschlich. Mit einer Mischung aus Motion Capture und 3D Grafik zeichnet der ungarisch-slowakische Science-Fiction „White Plastic Sky“ (Encounters) ein dystopisches Bild von einer Zukunft, in der Menschen nur noch unter einer Kuppel leben können. Dennoch, oder besser gerade deswegen, keimt in dieser unwirtlichen Umgebung buchstäblich die Liebe auf.

Bild: Art College 1994 © Nezha Bros. Pictures Company Limited, Beijing Modern Sky Culture Development Co., Ltd Sirene

Edda Bauer