74. Internationale Filmfestspiele Berlin

Afrika im Fokus

Afrika im Fokus

Foto: Black Tea © Olivier Marceny / Cinéfrance Studios / Archipel 35 / Dune Vision


Afrika wird in Kisten verpackt und verschleppt - mal rein, mal raus, mal heimlich, mal hochoffiziell mit Empfangskomitee und Feier. In zwei Filmen im diesjährigen Wettbewerb wird deutlich, wie kulturell übergriffig der Umgang der sogenannten westlichen Welt mit dem afrikanischen Kontinent über Jahrhunderte war.

In fünf Kisten passen die 26 Artefakte, die der Staat Frankreich an die Republik Benin zurückgibt. Die französisch-senegalesische Regisseurin Mati Diop nannte ihren 67 Minuten kurzen Dokumentarfilm "Dahomey", denn das ist der Name des Königreichs, aus dem die 26 Kunstwerke und viele tausend mehr 1892 verschleppt wurden. Seitdem lungern sie in den Kellern der staatlichen Museen in "schwärzester Dunkelheit", wie König Gezo (1818 – 1858) es beschreibt. Diop gibt dem einstigen Herrscher eine Stimme, tief wie aus dem Grab. Die Holzstatue, die ihn sinnbildlich darstellt, hat es als Artefakt Nr.26 gerade noch in die erste Restitutions-Lieferung geschafft.

Immer noch in einer Kiste tief in den Katakomben des Ethnologischen Museums in Berlin liegt der Kopf von Nduna Songea Mbano. 1906 wurde der von den deutschen Kolonialherren im ehemaligen Deutsch-Ostafrika während des Maji-Maji-Aufstands getötet und sein Kopf zu Forschungszwecken in die deutsche Hauptstadt mitgenommen.Das deutsch-tansanische Regisseurinnen-Duo Agnes Lisa Wegner und Cece Mlay hat in "Das leere Grab" die Suche von Ndunas Urenkel John Mbano dokumentiert. Sie führt ihn von dem geplünderten Grab, an dem sich Bundespräsident Walter Steinmeier für die Untaten während der Kolonialherrschaft entschuldigt, bis nach Berlin. Ko-produziert vom ZDF wurde „Das leere Grab“ in der Reihe Berlinale Special gezeigt und wird wohl auch im Laufe dieses Jahres von dem Sender ausgestrahlt werden.

In einer anderen, sehr großen Kiste in diesem Wettbewerb schwebt "Pepe" über eine Wüstenlandschaft. Den Namen hat sich das Nilpferd nicht selbst ausgesucht, und dass es sprechen kann, erstaunt es selbst am meisten. Nur zwei Dinge sind gewiss: Er kommt aus Afrika und er ist tot. "Pepe" ist einer der kuriosesten Filme des gesamten Festivals. Der dominikanische Regisseur Nelson Carlos De Los Santos Arias wechselt Spielszenen mit und dokumentarischen Aufnahmen ab, streut Animationen, Drohnenflüge, Schwarz- und Weißblenden ein. Dabei lässt er Pepe in der Bantu-Sprache Mbukushu, Afrikaans und Spanisch darüber philosophieren, wie es sich anfühlt, aus seiner Heimat herausgerissen und ein einem völlig anderen Teil der Welt ausgesetzt zu werden. Pepe ist nämlich eines der sogenannten Kokain-Nilpferde, die Drogenbaron Pablo Escobar in seinen kolumbianischen Privat-Zoo schmuggeln ließ. Und Pepe ist auch das einzige Nilpferd, das jemals auf dem südamerikanischen Kontinent erschossen wurde. Weniger düster geht es in den Spielfilmen zweier afrikanischer Regisseure zu. Der Senegalese Mamadou Dia hat den Querkopf „Demba“ (Ben Mahmoud Mbow) zum Titelhelden seines tragikomischen Dramas gemacht. 30 Jahre lang hat er akribisch die Akten im Rathaus seines Dorfes geführt, kurz vor seiner Pension soll er die Massen an Papier in einen kleinen Computer eingeben. Trost findet Demba angesichts dieser sinnlosen Arbeit nur bei seiner Frau Awa. Die ist allerdings schon zwei Jahre zuvor gestorben.

Einen schier endlosen Strom aus Liebe, Harmonie und Achtsamkeit lässt der maurisch-malische Regisseur Abderrahmane Sissako auf das Publikum von "Black Tea" regnen. Es geht um Aya (Nina Mélo), die kurz vor dem Ja-Wort ausreißt und im freundlich bunten Schmelztiegel der chinesischen Handelsstadt Guangzhou weich landet. Vor allem der Teehändler Cai (Chang Han) bringt in ihr ungeahnte Seiten zum Klingen, sogar als Aya erfährt, dass er verheiratet ist und auf den Kap Verden eine Tochter hat. "Black Tea" ist eine in Film gegossene Tee-Zeremonie mit einem erfrischend schwarzen Twist im Finale.

Die Berlinale findet vom 15. bis 25. Februar statt. Mehr Informationen unter berlinale.de

Edda Bauer