Steve O
„Ich bin eine Aufmerksamkeits-Hure.“
Zur Person
Steve-O kam am 13.06.1974 als John Gilchrist Glover in London zur Welt. Sein Vater betreute viele internationale Projekte von Pepsi Cola, weshalb Steve-O in seiner Kindheit unter anderem in Kanada, Venezuela und Uganda lebte. Nach dem Schulabschluss ging er auf die University of Miami, wurde wegen schlechten Benehmens aber nach einem Jahr gefeuert; im Anschluss absolvierte er am Ringling Brothers and Barnum & Bailey Clown College eine Ausbildung zum Clown. 2000 wurde er Mitglied der „Jackass“-Truppe – junge Männer, die eine ganze TV-Show und bislang fünf Kinofilme damit füllten, grenzwertigen Blödsinn zu machen. Steve-O galt als der hartgesottenste der Bande, ließ sich etwa seinen Hodensack ans Bein tackern – wofür er sogar verhaftet wurde. Nach vielen Jahren im Alkohol- und Drogenrausch verbrachte er 2008 größtenteils in Entzugskliniken; seither ist Steve-O clean und überzeugter Veganer. 2011 erschien seine Autobiografie „Professional Idiot“ (in Deutschland: „Ein Idiot kennt keinen Schmerz“) und tourt heute durch die Welt mit einem eigenen Stand-Up-Comedy-Programm mit Stunt-Einlagen.
19.10.2013, Los Angeles. Es ist zehn Uhr Morgens, Steve-O ist bereits hellwach und flüssig in seinen Gedanken. Was überrascht, denn das wohl radikalste Mitglied der ehemaligen „Jackass“-Truppe, die in den 90ern auf MTV eine neue Form von grenzwertiger ‚Unterhaltung’ schuf, kultivierte früher seine zügellosen Partynächte und sein Bad Boy-Image. Doch auch ewig junge Freaks werden älter – mittlerweile gehört Steve-O in die Riege der bekannten US-Gesichter der Stand-Up-Comedy, auch wenn seine Soloprogramme noch immer mit so manchem riskanten Stunt aufwarten. Im Gespräch ist er ein beachtlich aufgeräumter Mensch, der nicht ohne Zwiespalt auf seine wilde Vergangenheit blickt. Reue allerdings liegt ihm fern. Das würde auch nicht zu dieser markanten Raspelstimme passen, die immer wieder in ein kehliges Raucherlachen kippt – manchmal ohne erkennbaren Grund.
Steve, seit dem Ende der „Jackass“-Reihe turnen Sie über weltweite Kleinkunstbühnen und bieten ein Programm zwischen Stand-Up-Comedy und Selbstverletzung an. In Letzterem waren Sie immer gut, wie „Jackass“ bewies – aber wer hat Ihnen beigebracht, lustige Geschichten zu erzählen?
Steve-O: Ich mache diese Stand-Up-Sachen jetzt seit sieben Jahren, und mit der Zeit lernt man einfach, was eine gute Pointe ist und wie man sie setzt. Timing ist dabei sehr entscheidend, und darin unterscheidet sich die Comedy durch nichts von meinen früheren Tätigkeiten. Tatsächlich ist das Schreiben und Erzählen lustiger Stories weitaus mehr Arbeit als alles, was ich seinerzeit mit „Jackass“ gemacht habe. Ich habe in den vergangenen Jahren viel Zeit und Energie invenstiert, um wirklich lustig zu werden. Mittlerweile habe das so viel gemacht, dass ich darin meine eigene Perönlichkeit gefunden habe. Und meine Art, Geschichten zu erzählen.
Sie sind also nicht von Natur aus lustig?
Ach, ich schätze, dass ich im Umgang schon ein lustiger Typ bin, aber das ist immer noch etwas anderes, als dies zu seinem Beruf zu erheben. Gute Geschichten vor Publikum zu erzählen ist nicht vergleichbar mit der für mich alltäglichen Situation, mit den Kumpels sinnlos rumzuspacken. Insofern: Nein, das professionelle Lustigsein war mir nicht in die Wiege gelegt, ich habe es mir hart erarbeiten müssen. Und dies ging nur über endlose Versuche und regelmäßiges Scheitern. Sie ahnen nicht, wie viele Anekdoten ich schon live ausprobiert habe, die ich für gelungen hielt, und niemand hat gelacht. Viele schreckliche Momente habe ich auf diese Weise durchlitten. Denn nichts ist unangenehmer als ein Stand-Up-Comedian, bei dessen Pointen eisiges Schweigen oder, fast noch schlimmer, nettes Höflichkeits-Gekicher herrscht.