Joachim Lottmann
„Nihilismus ist das Ergebnis eines langjährigen Idiotentums.“
Zur Person
Joachim Lottmann, geboren am 06.10.1956 in Hamburg, lebt seit 2011 in Wien und gilt als bedeutender Vertreter der deutschen Popliteratur. Bekannt wurde er 1987 durch seinen ersten Roman „Mai, Juni, Juli“, der die deutsche Popliteratur begründete, zunächst einhellig verrissen wurde, nach anhaltendem Erfolg aber von der ‚FAZ’ 2003 zu den „wichtigsten deutschen Büchern der letzten 20 Jahre“ gezählt wurde. Ein wichtiges Element seines Schreibens ist der lockere Umgang mit Tatsachen – wie ein ehemaliger Kollege vor dem Interview raunte: „Du darfst kein Wort glauben von dem, was er erzählt! Er ist ein fantastischer Schauspieler und Hochstapler und Heiratsschwindler, so ein richtiger ungarischer Operettenschurke.“ Lottmann, der als Kolumnist für diverse Tageszeitungen tätig ist und von 2005 bis 2006 dem Kulturressort des ‚Spiegel’ angehörte, hat bislang neun Romane veröffentlicht. Den kommerziellen Durchbruch schaffte Lottmann erst jetzt durch den in diesem Frühjahr erschienenen Roman „Endlich Kokain“.
25.06.2014, Wien am Nachmittag: Telefoninterview mit dem Autor und Journalisten Joachim Lottmann. „Verlottmannt“, „lottmannesk“: Wenn man es geschafft hat, dass der eigene Namen für solche Vokabeln verwendet wird, ist man entweder ein Genie, ein Verbrecher oder ein Enfant Terrible. Für Joachim Lottmann gelten wahrscheinlich mindestens zwei der drei Bezeichnungen. Lottmann ist ein nicht zu fassender Interviewpartner, er wechselt leichtfüßig zwischen liebenswert und tückisch – und wieder zurück. In einem Moment redet er über die Soziologie der Liebe, im nächsten Moment will er unbedingt über Cristiano Ronaldos neue Frisur dozieren.
Herr Lottmann, worüber sollte man besser schweigen?
Joachim Lottmann: Über Alles, was zwischen Mann und Frau im Bett passiert, da hat der Mund gefälligst geschlossen zu bleiben. Das Thema würde zerstört werden, wenn man darüber redete.
Halten Sie sich daran?
Ja natürlich, total, immer schon, ich könnte so was gar nicht, da würde ich mir ja die Zunge abbrechen, wenn ich so was versuchen würde. Darin besteht doch die Dialektik zwischen außen und innen. Deswegen war mir die Gay-Community auch lange etwas unheimlich, weil die über diese Dinge immer geredet haben. Da dachte ich mir, dass es ja kein so großes Erlebnis sein kann, das die da haben. Das ist dann halt ein Teil dieser Welt und nicht das große Andere. Wenn ich das große Andere aber nicht hätte, würde mir jeder metaphysische Boden fehlen, dann wäre ich wahrscheinlich ein ratloser Nihilist, wie so viele.