Literatur

Pieter Webeling

Die Stunde des Schmetterlings

Blessing · 26. September

„Nie wäre uns Jungen in den Sinn gekommen, dass man auch gegen diesen Krieg sein konnte.“ Die vier Freunde Julius, Klaus, Erich und Theo lassen sich in ihrer jugendlichen Naivität ohne zu zögern von der Kriegsbegeisterung im Jahre 1914 anstecken und können es kaum erwarten, endlich ihren Weg an die Front anzutreten. In ihrem sächsischen Heimatdorf lassen sie verzweifelte Eltern und bangende Liebschaften zurück. Doch Pieter Webeling erzählt nicht chronologisch, sondern beginnt mitten im Krieg. Schon in dieser Eröffnungssequenz illustriert er sein Können, indem er es innerhalb weniger Zeilen schafft, den Leser in eine zerbombte Kriegslandschaft zu entführen. Mit der gespenstischen Ruhe und flüchtigen Heilkraft des scheinbar Banalen liefert er nicht weniger als das literarische Pendant zu „Der Soldat James Ryan“. In der Rahmenerzählung trifft der Protagonist auf einen Priester, dem er seine Lebensgeschichte anvertraut. So erfährt man von Julius’ Schicksal und der tragischen Rolle, die seine besten Freunde darin spielen. Bemerkenswert ist die jugendbuchartige Erzählweise, die das sprachliche Pendant der juvenilen Charaktere bildet. Umso bedrückender wirken die brutal anschaulichen Schilderungen vom Schlachtfeld. Die Bilder, die Webeling mit seiner Sprache zum Leben erweckt, stecken so manchen (Anti-)Kriegsfilm in die Tasche.

Katharina Raskob