DVD & Blu-ray

Neuerscheinungen der Woche

The Infiltrator

Paramount, 09.02.2017

Es gibt Schauspieler, die immer wieder in neue Leben schlüpfen. Bryan Cranston ist so ein Chamäleon der Leinwand. Dennoch gelang ihm erst im Alter von 52 Jahren als Schicksals-Drogenboss Walter White in der Serie „Breaking Bad“ der große Durchbruch. Nun wechselt er als Robert Mazur, Undercoveragent der US-Drogenvollzugsbehörde DEA, die Seiten. Getarnt als potenter Geldwäscher, versucht er gemeinsam mit seiner Schein-Verlobten Kathy (Diane Kruger) in den Dunstkreis des berüchtigten Drogenhändlers Pablo Escobar zu kommen. Doch die Wege bis zu Roberto Alcaino (Benjamin Bratt), der rechten Hand Escobars, sind komplex und das Spiel der Scheinidentitäten fordert seine Opfer. Brad Furman ist mit diesem Krimi-Drama, das auf den Memoiren des echten Robert Mazur beruht, eine solide Regiearbeit gelungen. Während das Schauspieler-Ensemble, vor allem Cranston, eine gewohnt starke Performance abliefert, mangelt es der filmischen Narration allerdings am letzten Feinschliff stringenter Spannung. Dennoch sehenswert! Björn Eenboom


Planet Erde II: Eine Erde - viele Welten

Polyband, 06.02.2017

Die Erwartungen für „Planet Erde II: Eine Erde – viele Welten“ waren hoch. Eine Dekade ist es her, dass die Serie der BBC neue Maßstäbe im Bereich der Naturdokumentation setzte. „Unvergleichliche Bilder“ hatte der britische Tierfilmer und Naturforscher David Attenborough mit dem Nachfolger versprochen - und damit keineswegs übertrieben. In sechs Episoden erlebt man beispielsweise einen Sturzflug aus der Sicht eines Adlers, der mit bis zu 300 Kilometern pro Stunde ins Tal stürzt oder befindet sich plötzlich unter türkisblauem Wasser, wo man ein Faultier auf der langsamen Suche nach einem Weibchen beobachten kann. Die passende Musik zu den majestätischen Bildern liefert der wie immer großartige Oscarpreisträger Hans Zimmer. Aussagekräftig ist vor allem die letzte Episode, die das Überleben von Tieren in Großstädten thematisiert. Den krönenden Abschluss bildet ein prägnantes Statement von Attenborough, das sich jeder Einzelne zu Herzen nehmen und möglichst irgendjemand Donald Trump ins Gesicht schreien sollte. Katharina Raskob


Die Insel der besonderen Kinder

Twentieth Century Fox, 09.02.2017

Der alte, exzentrische Tim Burton und der neue, effektverliebte Tim Burton teilen sich einen Film, der beiden auf dem Silbertablett serviert wird.

Wenn Miss Peregrine (Eva Green) immer etwas überspannt und gehetzt wirkt, dann hat das seinen Grund. Die gutmütig-strenge Gouvernante gebietet über ein walisisches Waisenhaus voller Kinder, die mit „besonders“ noch unzureichend beschrieben wären. Eins beherbergt ein Bienenvolk in seinem Körper, ein anderes muss mit Gewichten am Boden gehalten werden, um nicht davonzufliegen, ein drittes erweckt kleine Figuren zu untotem Leben und stiftet sie dann zu Gladiatorenkämpfen an. Um die Unversehrtheit ihrer Schutzbefohlenen zu gewährleisten, muss Miss Peregrine die Uhr stets im Blick behalten, denn in ihrer Welt ist jeder Tag aufs neue der 3. September 1943. Die Mini-Zeitschlaufe bietet ihren Insassen Schutz, so lange jeden Abend rechtzeitig vor dem bevorstehenden Bombenangriff daran gedacht wird, die Zeiger zurückzustellen. Doch die Luftwaffe ist nicht der einzige Feind des schrägen Idylls. Eine finstere Geheimgesellschaft richtet regelmäßig Alptraumkreaturen namens Hollowgasts darauf ab, Etablissements wie das von Miss Peregrine zu zerstören, um ihrer Mündel habhaft zu werden. Der Jugendbuchautor Ransom Riggs schilderte in drei Bestseller-Bänden die Abenteuer des jungen Jake Portman, den es auf die Insel der besonderen Kinder verschlägt, von denen eins genauso gut Tim Burton heißen könnte. Der Regisseur mit der Robert-Smith-Frisur ist schließlich seit 30 Jahren darauf abonniert, seine Themen in morbiden Monster- und Märchenwelten zu finden. „Die Insel der besonderen Kinder“ ist dementsprechend Katzenminze für ihn und geht als sein wahrscheinlich stärkster Auftritt seit „Sweeny Todd“ durch. Im Interview sagte Burton einmal, seine Filme seien gerade gruselig genug, um auch dem jüngeren Publikum zu verdeutlichen, dass darin etwas auf dem Spiel stehe. Dieser Devise nach geht es hier um Leben und Tod: Zwischen einer slapstickhaften Ray-Harryhausen-Gedenksequenz mit computeranimierten Skeletten und einem cartoonesk bösen Samuel Jackson gibt es ein paar wahrlich schauderhafte Bilder von Augen vertilgenden Dämonen zu sehen. Kein Wunder: In Riggs’ Originalbüchern finden sich immer wieder Anspielungen auf den Holocaust, die erwachsenen Zuschauern auch im Film nicht entgehen dürften. Schade eigentlich, dass der sich nach etwa der Hälfte der Spieldauer so weit von der Vorlage entfernt hat, dass eine Fortsetzung entlang der bekannten Geschichten praktisch unmöglich gemacht wird.

Die visuell entzückende Verfilmung von Ransom Riggs’ populärer Buchvorlage spielt der barocken Burtonschen Vorstellungswelt, die man seit „Edward mit den Scherenhänden“ kennt, in die Karten. Der stimmungsvollen, gemächlich erzählten ersten Hälfte folgt eine actiongeladene zweite, die zwischen düsteren Momenten und grellen Cartooneinlagen hin- und herflirrt. Lars Backhaus


Kandahar Journals

Studio Hamburg, 10.02.2017

Was Fotograf Louie Palu über die Gegend, die Menschen und den Krieg im Süden Afghanistans gelernt hat, hält er in den „Kandahar Journals“ fest.

Louie Palu hat ein Mantra: „Bleib ruhig und konzentriere dich auf das Rechteck.“ Der in Toronto geborene Fotograf meint damit den Bildausschnitt seiner Kamera – wobei es manchmal leichter und manchmal schwerer ist, sich darauf zu konzentrieren. Zwischen 2006 und 2010 ist Palu dabei hart an die Grenzen seiner psychischen Belastbarkeit geraten. In dieser Zeit begleitete er eine US-amerikanische NATO-Einheit in der afghanischen Provinz Kandahar bei ihren Einsätzen gegen die Taliban. Anfangs fotografierte er nur. Wenig später – nämlich nach dem ersten Selbstmord-Anschlag, den er miterlebte – griff er zur Video-Kamera, um die Geschehnisse in einem visuellen Tagebuch zu dokumentieren: Die Geburt der „Kandahar Journals“. „Bleib ruhig und konzentriere dich auf das Rechteck“ ist auch eine Gebrauchsanweisung für den Zuschauer, wie er mit den laufenden Bildern dieses Journals umgehen sollte. Einerseits eine Warnung, weil es nicht immer leicht sein wird, bei den Aufnahmen von zerfetzten Gliedmaßen die Ruhe zu bewahren. Andererseits eine Vorbereitung auf das, was kommt, denn im Fokus steht nicht der Fotograf (dessen Platz ja hinter der Kamera ist) und auch nicht der Krieg (der lediglich das ist, was herrscht). Vielmehr zeigt das Rechteck eine Gegend, ihre Bewohner und ihren Alltag. Dazu gehören zum Beispiel ein paar Jungs, die die Hitze des Junis 2009 dazu nutzen, im örtlichen Bach zu planschen. Oder auch die US-Soldaten in voller Kampfmontur, die ihnen mit einer Mischung aus Sympathie und Sehnsucht dabei zusehen. Vielen der Bilder und Szenen in den „Kandahar Journals“ glaubt man schon begegnet zu sein, in Oscar-nominierten Dramen wie „A War“ oder –prämierten wie „Tödliches Kommando – The Hurt Locker“. Der Unterschied wird jedoch deutlich, wenn Palu aus dem Off erklärt, dass er keine Angst vor Schüssen hat, sondern davor, „plötzlich keine Beine mehr zu haben“, während er mit den Menschen um ihn herum in Bruchteilen von Sekunden abwägen muss, was wohl fatalere Folgen hat: der Heckenschütze vor ihnen oder die Landmine im Straßengraben. Für eine Dokumentation über die am heftigsten umkämpfte Gegend der Welt bestechen die „Kandahar Journals“ besonders durch die Kraft, die in ihrer Ruhe liegt. Wie Louie Palu diese damals bewahren konnte, erzählt er im Bonusteil der DVD – dem besten Ort, um jemanden, der sich lieber hinter der Kamera sieht, in die Mitte des Rechtecks zu stellen.

In den Fokus seiner „Kandahar Journals“ hat Fotograf Louie Palu nicht den Krieg gestellt, sondern das, was der Krieg mit der Gegend und ihren Bewohner macht. Mit unaufgeregten Bildern dokumentiert er per Video-Kamera das Grauen ebenso wie Momente der Freude und des Friedens. Die Zahlen und Meldungen aus den Nachrichten bekommen so Gesichter und Geschichten. Edda Bauer