Musik

Musiktipps der Woche

TOCOTRONIC • Beth Hart & Joe Bonamassa • GoGo Penguin • First Aid Kit

TOCOTRONIC • Die Unendlichkeit

Vertigo / Universal • 26. Januar

Tocotronic Die Unendlichkeit„Ich erzähle dir alles / Und alles ist wahr“, singt Dirk von Lowtzow in „Electric Guitar“ – eine Zeile, die durchaus als Überschrift für das neue Tocotronic-Album funktioniert. Lange hat die Indierock-Band autobiografische Texte abgelehnt, doch nun geht es um von Lowtzows frühe Kindheit, seinen Umzug nach Hamburg und die Anfänge der Band, um die erste Liebe, den Tod und seine Flucht nach Berlin. Auch musikalisch folgt das Album einem klaren Konzept: Jedes Stück weist Referenzen zu der Zeit auf, in der es spielt – von den Beatles-Songs der Kindheit über 80’s-Gitarrenpop bis zu Progressive Rock. „Hey Du“ und „1993“ poltern wie die frühen Tocotronic und „Bis und das Licht vertreibt“ versprüht einen Hauch „K.O.O.K.“, während die Band mit dem verspielten „Unwiederbringlich“ und der Akustikballade „Ich würd’s dir sagen“ ganze neue Seiten zeigt. Sobald man sich mit der Unverblümtheit der Texte angefreundet hat, kann man „Die Unendlichkeit“ als das musikalisch abwechslungsreichste Tocotronic-Album genießen.

Nadine Wenzlick


Beth Hart & Joe Bonamassa • Black Coffee

Mascot • 26. Januar

Detail: Beth Hart Joe Bonamassa Black CoffeeJoe Bonamassa ist einer der umtriebigsten Gitarristen unserer Zeit. Kein Jahr vergeht, in dem der New Yorker nicht mindestens ein Album und eine DVD auf den Markt wirft – ob solo, in der Supergroup Black Country Communion oder im Duett mit Sängerin Beth Hart lotet er die verschiedensten Facetten von Blues und Rock aus. Für „Black Coffee“ hat sich das musikalische Paar weniger bekannte Songs großer Namen vorgenommen und ganz klassisch in fünf Tagen live im Studio eingespielt. Neben dem Titeltrack, den Ike & Tina Turner 1972 erstmalig intonierten, standen auch Songs von Etta James und Ella Fitzgerald auf dem Programm. Vor allem bei Letzterem wird klar, dass speziell Bonamassa nicht aus seiner Bluesrock-Haut raus kann: Ab der Hälfte überzieht er die subtile Nummer mit einem Gitarrensperrfeuer, bei dem das Original nur noch das Sprungbrett für seine Saitenakrobatik liefert. Zwar ist er ohne Zweifel ein echter Könner, muss es aber auch ständig zeigen. Wer darauf steht, wird wie immer bestens bedient.

Chris Hauke


GoGo Penguin - A Humdrum Star

Blue Note • 26. Januar

GoGoPenguin A Humdrum StarWie klein das Sonnensystem doch ist, angesichts der Weite des Universums! „Wir leben auf dem unbedeutenden Planeten eines öden Sterns“, sagte der US-Astrophysiker Carl Sagan einmal. Nach diesem Ausspruch haben nun GoGo Penguin ihr neues Album benannt. Das Trio aus Manchester beschreibt seinen Genremix mit „Acoustic Electronica“. Akustisches Piano und Schlagzeug geben tanzbare Beats vor, treffen auf melodische Klavierakkorde und gestrichene Basslinien: eine zwingende Mischung aus Elektronik und Jazz. „A Humdrum Star“, das ist der maschinelle Puls einer Metropole, gepaart mit im nordenglischen Alltagsgrau geborener Melancholie. Bei den Briten, die sowohl auf Techno-Festivals als auch in der Elbphilharmonie gefeiert werden, gibt es keinen Bandchef und keine ausladenden Soli. Radiohead und Underworld sind hier genauso Referenzpunkte wie Steve Reich oder Esbjörn Svensson. „A Humdrum Star“ fügt dem Sound der Gruppe nichts Neues hinzu. Aber so wuchtig und präzise aufgenommen möchte man Jazz öfter hören.

Jan Paersch


First Aid Kit • Ruins

Columbia / Sony • 19. Januar

First Aid Kit RuinsAlles begann mit einem Fleet-Foxes-Cover vor ungefähr zehn Jahren. Schnell ließen die beiden Schwedinnen mit ihrer stimmlich perfekten Harmonie die Herzen vieler Folk- und Country-Liebhaber höher schlagen. Mit „Ruins“ erscheint nun das mittlerweile vierte Album der Söderberg-Schwestern, für das sie hochkarätige Gäste, wie R.E.M.’s Peter Buck oder Wilco-Schlagzeuger Glenn Kotche eingeladen haben. Wirkliche Neuerungen gibt es auf „Ruins“ aber – ganz dem Titel entsprechend – nicht. Mit ihrem glasklaren Harmoniegesang sind First Aid Kit weiterhin über jeden Zweifel erhaben und bleiben mit typischem Americana-Instrumentarium ihren Wurzeln treu. Die beiden Schwestern beherrschen ihr Metier: Vom reinen, schunkelnden Countrysong „Postcard“, der auch aus Emmylou Harris’ Feder stammen könnte, bis zum großen Finale „Hem Of Her Dress“, dessen Coda klingt, als habe sich Bob Dylan mit Trompeten und Lalala-Gesängen eingelassen. Das ist natürlich alles wunderschön, aber einfach ein bisschen zu perfekt.

Katharina Raskob