Musik

Musiktipps der Woche

Foto: Knut Koivisto

Benny Andersson – Piano

Deutsche Grammophon, 29.09.2017

Benni Was darf auf keiner 70er-Jahre-Party fehlen? Richtig, neben Schlaghosen und Plateauschuhen sind das Songs von ABBA. Keine Retro-Laune ohne „Dancing Queen“, „Mamma Mia“ oder „Waterloo“. Glücklicherweise hat Benny Andersson, der mit Björn Ulvaeus kreativer Kopf der schwedischen Popband war, auf solche Über-Hits verzichtet. Denn der Mann, der sich als Kind das Klavierspielen selbst beibrachte, ist für „Piano“ an das Instrument zurückgekehrt und spielt Stücke aus allen Jahrzehnten seiner Karriere, neben fünf ABBA-Nummern auch Songs vom Musical „Chess“ und aus seinen 80-Jahre-Soloalben. Ganz allein, rein instrumental. Chopin und Mozart lassen grüßen, passenderweise erscheint das Album auf einem Klassik-Label. Angenehm, diese Ohrwürmer ohne Disco-Stampf, Streicher und hochglanzpolierte Vocals zu hören. Eine gewisse Neigung zur Gefühligkeit lässt sich nicht leugnen, Andersson war schon immer ein Freund lieblicher Melodien. Dennoch: ein schöneres Weihnachtsgeschenk kann man einem 70er-Fan kaum machen.

Jan Paersch


Chris Rea - Road Songs For Lovers

BMG, 29.09.2017

Chris Rea Seine größten Erfolge feierte Chris Rea zwischen 1986 und 1991 mit Hits wie „The Road To Hell“ und „Auberge“, doch ein Popstar wollte der Brite nie sein. Seine Helden hießen und heißen Ry Cooder und Van Morrison – Künstler, bei denen die Musik und nicht das Drumherum im Mittelpunkt steht. Nach einer schweren Krebserkrankung im Jahr 2000 verabschiedete er sich endgültig aus dem Business und widmete sich fortan musikalischen Lebensträumen wie Film-Soundtracks und vor allem dem Blues. Seine Liebe zu ihm lebt er mittlerweile in wenigen, dafür umso aufwendigeren Veröffentlichungen aus. „Ich bin mit ihm geboren und werde mit ihm sterben – auch wenn ich zwischendurch einige andere Dinge gemacht habe“, fasst Rea sein Musikerleben zusammen. Neben der markanten Stimme, ist es vor allem das meisterhaft-minimalistische Slide-Spiel, das seine Songs unverwechselbar macht. Auf seinem ersten Album seit sechs Jahren spielt er diese beiden Trümpfe ein weiteres Mal aus – mit viel Substanz und ohne große Gesten.

Chris Hauke


Benjamin Clementine - I Tell A Fly

Caroline / Universal, 29.09.2017

Clementine Titel wie "Phantom of Aleppoville" lassen vermuten, womit sich Benjamin Clementine auf seinem zweiten Album beschäftigt. Auf "I Tell A Fly" geht es um Außenseiter, Geflüchtete, Menschen, die anders sind - Aliens. Inspiration lieferte ein Vermerk in seinem USA-Visum, der den Song "Jupiter" eröffnet: "An alien of extraordinary abilities". Letztere stellt er erneut unter Beweis. Mit unglaublicher Intensität schlägt Clementine Brücken zwischen impressionistischen Klavier-Klängen und elektronischen Spielereien, während seine gewaltige Stimme über jeden Zweifel erhaben in wenigen Sekunden zwischen Oper und Sprechgesang manövriert. "Quintessence" bewegt als einfache Klavierballade ebenso wie das opulente "Ave Dreamer", in dem er mit Chören im Geiste Queens fordert: "Babarians are coming/ Dreamers stay strong". Für den Tiefgang und Facettenreichtum von "Better Sorry Than A Safe" brauchen andere ganze Alben. Man kann den US-Behörden also Recht geben: Clementines Fähigkeiten sind wirklich überirdisch.

Katharina Raskob


David Crosby - Sky Trails

BMG/Warner, 29.09.2017

Crosby Die gemeinsame Geschichte der Streithähne von CSN&Y mag ein für alle Mal zu Ende erzählt sein, doch durch David Crosby fließen offenbar noch kreative Säfte. „Sky Trails“ ist schon das dritte neue Album des Woodstock-Veteranen in vier Jahren und einmal mehr eine tiefenentspannte Angelegenheit für Hängemattenhippies. Der von Crosby-Sohn James Raymond orchestrierte Band-Sound paart süffigen Folk-Pop mit Easy-Jazz-Elementen und verleiht den Songs die kitschig-kalifornische Abendrotaura einer Postkarte aus den Sechzigern. Rückschau und Vergangenheit spielen ohnehin Hauptrollen auf „Sky Trails“, nur im pauschalen Politiker-Bashing „Capitol“ wird’s etwas tagesaktueller – und leider auch etwas peinlich. Für seine Lebensbilanz im Finale „Home Free“ findet der 76-Jährige dagegen die positiven Worte, die ihm zu Neil Youngs neuer Frau bisher nicht eingefallen sind, und auch seine Stimme ist trotz gelegentlichen Lispelns noch warm wie ein Strandsouvenir, das man sich gerade erst in die Tasche gesteckt hat.

Markus Hockenbrink