Musik

Miles Davis & Robert Glasper

Everything’s Beautiful

Columbia / Legacy · 27. Mai

In seiner beispiellosen Karriere hat Miles Davis nicht nur dafür gesorgt, dass sich die Jazzmusik in bisher unbekannte Dimensionen ausdehnen, sondern auch, dass sich das Genre jener Musealisierung entziehen konnte, die mit der Akzeptanz durch weiße Käuferschichten einherzugehen drohte. Als er Anfang der Achtzigerjahre aus dem selbstauferlegten inneren Exil zurückkehrte, hatte er außerdem eine Menge Einflüsse aus HipHop und R’n’B absorbiert, die seine Musik einer Verjüngungskur unterziehen und ihn in Kontakt mit einer neuen Musikergeneration bringen sollte. Hier knüpft auch „Everything’s Beautiful“ an, eine posthume „Studiokollaboration“ aus Davis’ Songideen, die vom Grammy-prämierten Jazz-Pianisten Robert Glasper und verschiedenen Solisten zu Ende gedacht wurden. Der Grundgedanke mutet frevelhaft an: Songs und Themen aus dem umfangreichem Werk der Jazzlegende werden von Glasper in einem gefälligen Lounge- Stil interpretiert, während Künstler wie Stevie Wonder, Erykah Badu oder Bilal versuchen, die passenden Worte oder Töne dazu zu finden. Überraschenderweise klappt das insofern, als dass die elf Songs des Albums von einer ästhetischen Klammer zusammengehalten werden, die sich aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich über Miles Davis’ Musik vermittelt hat. Highlights wie „Ghetto Walkin“ oder „Violets“ verblüffen dabei mit handfestem Rap-Zugriff und thematischen Anklängen, die gegenwärtiger nicht sein könnten. Die dem Album zugrundeliegende Freiform erweist sich auch deshalb als Stärke, weil die Mitwirkenden keine Angst davor haben, sehr salopp mit dem großen Vermächtnis umzugehen, das eher als Stichwort denn als Korsett benutzt wird. Das gilt strenggenommen sogar für Davis’ Namen im Titel des Albums – gut möglich, dass es dem Meister besser gefallen würde als seinen Fans.

Lars Backhaus