Literatur

Literaturtipps der Woche

Evelyn Woodson • Claudia Tieschky• Katrine Engberg

Claudia Tieschky • Engele

Rowohlt, 13. März

Tieschky Die Familien-Geschichte dreier Frauen aus drei Generationen, erzählt als Verschränkung aus Biographie und deutschem Sittenbild – das klingt nach einem literarischen Topos. Noch dazu ist die Heldin Ruth eine früh emanzipierte, eigensinnige Lebedame, die im Berlin der Nazizeit als Krankenschwester arbeitet und vergnügt ihren Affären nachgeht. Da glaubt man den Verlauf der Handlung schon zu kennen. Allerdings weiß auch die Autorin Claudia Tieschky sehr genau, welche vorgetretenen Pfade ihrer Erzählung drohen. „Nicht nur im Kino und in Büchern von Richard Yates und James Salter muss die unberechenbare Frau auffällig oft sterben oder wenigstens ins Elend geraten“, schreibt sie lakonisch. Tatsächlich umschifft die Journalistin, die mit „Engele“ ihr Romandebüt vorlegt, staunenswert sämtliche Klischeefallen. Protagonistin Lotte, die ihrem Geliebten von Mutter und Großmutter erzählt, spannt auf fesselnde Weise verschiedene Lebensentwürfe auf. Durchzogen von der zeitlosen Frage, was Freiheit bedeuten mag.

Patrick Wildermann


Katrine Engberg • Krokodilwächter

Diogenes • 28. März

Engberg Als in Kopenhagen eine junge Studentin genau nach der Vorlage eines unveröffentlichten Romans ermordet wird, schrillen die Alarmglocken bei den Kommissaren Jeppe Kørner und Anette Werner. Das ungleiche Ermittlerduo deckt mit Hilfe der ehemaligen Professorin, die die Vorlage zum Mord verfasst hatte, eine immer größere Kreise ziehende Geschichte auf. Über 500 Seiten entwickelt sich klassisch-skandinavisch subtile Spannung, die mit allerlei Metaverweisen zwischen Literatur und Wirklichkeit gespickt ist. Vor der Kulisse einer von Kunst, Architektur und Fotografie geprägten Umgebung lässt Engberg immer mehr Charaktere auferstehen, deren Schuld lange ungeklärt bleibt. Die Erzählung lebt von immer verschlungeneren Pfaden, auf denen sich diese zahlreichen Figuren begegnen – oder begegnet sind, denn das Fischen im trüben Vergangenheitssud deckt einiges auf, was Opfer und Täter lieber im Dunkeln gelassen hätten. Gut erzählte dänische Unterhaltung, dessen Titel bis in die letzten Kapitel ein ungeklärter Hinweis bleibt.

Marina Mucha


Jaqueline Woodson • Ein anderes Brooklyn

Piper Verlag • 1. März

Woodson Brooklyn in den 70er Jahren: Die Erzählerin August ist vom Land in die heiße Stadt gezogen, mit Vater und Bruder geflohen vor dem Selbstmord der Mutter, den sie für Jahre verleugnet und verdrängt. Sie findet Freundinnen, Sylvia, Gigi und Angela, Gefährtinnen, die mit ihr den Alltag ertragen und träumen. Die preisgekrönte Autorin Jaqueline Woodson schafft eine zutiefest berührende, fast poetische Geschichte über das Erwachsenwerden, Freundschaft, New York und darüber, wie Traumata junge Menschen prägen- und wie sie damit leben. Fast nebenbei lässt sie ihre jungen Figuren Rassismus und Frauenfeindlichkeit erfahren. August verpackt all dies als Erinnerungen, manchmal wie Aphorismen, immer aber voller Leben und flechtet einen Zopf aus Momenten, die ihr Leben ergeben, auf das sie am Tag der Beerdigung ihres Vaters blickt. Das einzige, was man Woodson vorwerfen kann, ist, dass die Erinnerungsreise nicht länger andauert, dass sie den süßen Schmerz in der Brust nicht etwas länger erklingen lässt.

Marina Mucha


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