Literatur

Literaturtipps der Woche

Elan Mastai • Edith Eva Eger • Jason Hickel

Elan Mastai • Die beste meiner Welten

Goldmann • 24. April

MastaiIst und bleibt es nicht ein Traum, den wir alle hegen, mehr oder weniger heimlich: zurücksehen, zurückgehen, zurückdrehen – und den Dingen noch mal einen neuen Drift geben. Der Kanadier Elan Mastai ermächtigt den Protagonisten seines, im Original Anfang 2017 veröffentlichten Debütromans aus dieser Fantasie heraus zur Tat und konfrontiert ihn in der neuen Realität mit den Konsequenzen für das Weltgeschick im Großen, Maximen und Moral im Kleinen. Die sind besonders enorm, wenn man, wie Tom Barren, bei der Zeitreise ein paar Dinge fundamental durcheinander bringt und die glorreiche, sorgenfreie Zukunft der Menschheit verschwindet für die von Katastrophen und Kriegen gezeichnete Welt, wie wir sie heute kennen.

Mastai, aufmerksamen Filmfreunden bereits als Drehbuchautor des gefeierten Indie-Hits „The F-Word – von wegen nur gute Freunde!“ bekannt, schöpft für Struktur und Tempo von „Die beste meiner Welten“ aus seinen, am Kino geschulten Talenten. Satte 137, somit zumeist entsprechend kurze Kapitel kennt der Roman, das Denken in prägnanten Szenen und kräftigen Bildern spricht aus jedem davon. Mittels seines, im witzigsten Wortsinn unzuverlässigen Ich-Erzählers verbaut der aus Vancouver stammende, in Toronto lebende Autor zudem ein paar hübsche postmoderne Spielereien, allen voran das erst im Film zu voller Blüte gelangte Durchbrechen der Vierten Wand. So entsteht Raum für Komik und Tragik zugleich: „Ich bin beileibe kein Genie. Wenn Sie bis hierher gelesen haben, ist Ihnen das bereits klar.“

Friedrich Reip


Dr. Edith Eva Eger • Ich bin hier, und alles ist jetzt

btb • 05. März

EgerDie geborene Ungarin Eva Eger wurde mit 16 Jahren in das KZ Ausschwitz verschleppt. Wie tausenden anderen blieb ihr an Grausamkeiten nichts erspart - ihre Familie wurde getötet, ihr Körper geschunden, ihre Psyche missbraucht. Über 70 Jahre später schreibt sie ihre Lebensgeschichte nieder: Ohne Kitsch, ohne Angst vor klaren Worten und mit einer Offenheit, die die einzig wirksame Waffe im Kampf um die Menschlichkeit zu sein scheint. Ihre Erzählung entspannt sich bis hin zu ihrem Dasein als Psychotherapeutin, in dem sie anderen Hilfe zukommen lässt. Frei von Rachegedanken und getränkt von unstillbarem Lebenshunger ist "Ich bin hier, und alles ist jetzt" eine der beeindruckendsten Geschichten einer KZ-Überlebenden überhaupt. Die unumstößliche Überzeugung, dass es immer möglich ist, sich für das Leben zu entscheiden, durchziehen jede Seite und rühren zwangsläufig - ohne jemals aufdringlich zu sein - im Innersten des Lesers. Ein absolut lesenswertes Buch einer bewundernswerten Persönlichkeit.

Marina Mucha


Jason Hickel• Die Tyrannei des Wachstums

dtv • 29. März

Hickel Jason Hickel sah sich schon früh mit Armut konfrontiert. Aufgewachsen in Swasiland, einem kleinen Binnenland an der südafrikanischen Ostküste, sind die Facetten der Not allgegenwärtig: Sei es die schlechte medizinische Versorgung, die steten Existenzängste der Kleinbauern oder die Slums am Stadtrand. Als Anthropologe der London School of Economics unternimmt er in seinem neuen Werk „Die Tyrannei des Wachstums“ nun den wichtigen Versuch, darzustellen, wie die Interdependenzen zwischen den armen südlichen Ländern und dem reichen Norden das Ungleichgewicht nur noch verstärken. Mit fundierten Fakten und einer bestechenden Analyse stellt er gängige Denkmuster auf den Kopf, wie etwa jenes, dass dank der Entwicklungshilfe die Armut halbiert wurde. Tatsächlich hat sich die Einkommenslücke jedoch verdreifacht. Unverblümt hinterfragt Hickel die Intentionen dieser Milliardenindustrie und konstatiert, dass Armut ein gewolltes Produkt ist. Ein flammendes Plädoyer, die Welt mit anderen Augen zu sehen.

Björn Eenboom


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