Musik

Lina Maly

Nur zu Besuch

Warner · 26. August

Es ist kein Verbrechen, noch nichts von Lina Maly gehört zu haben. In ein oder zwei Jahren vermutlich schon, wer weiß? Erste Begeisterung entfachte sie bereits gekonnt: Die junge Sängerin aus Hamburg ist, obwohl erst 19 jahre jung, schon mit dem Soulsänger Max Mutzke auf Tour gewesen und in Ina Müllers Fernsehsendung aufgetreten. Mit Warner hat sie zudem ein weltweit agierender Labelmulti unter seine Fittiche genommen, so dass bei ihrem Debüt „Nur zu Besuch“ gleich namhafte Produzenten wie Jochen Naaf (u. a. Bosse), Frank Pilsl (Philipp Poisel) und Michael Vajna (Malky) Hand anlegten. Entsprechend punktgenau präsentieren sich die zehn Songs als ein auf das wesentliche reduziertes Konvolut bedächtiger Balladen mit mehr Moll als Dur. Wie von selbst rückt die sparsame Instrumentierung Malys Botschaften und ihre emotional-melancholische Singstimme in den Fokus. Nur anhören reicht ihr dabei nicht, Maly fordert die bewusste Auseinandersetzung mit ihren Songs aktiv ein. Musikalisch verzichtet sie auf Sperriges, allzuviele Beats aus dem Rechner oder einen Tanzflächen-Hit. „Alle stricken ihre Pläne und hoffen, das nichts zerreißt, ich verliere den roten Faden, suche nach einem grünen Zweig“, heißt es in „Wachsen“, ein nachdenklicher Blick auf eine Welt, die sich immer schneller dreht und kaum noch Halt bietet. Inhaltlich gibt er die Richtung vor. Konfliktlinien wie diese liefern Maly ihre Themen: der Blick nach links und rechts auf die existenziellen Fragen ihrer Generation, die vor dem Sprung ins Haifischbecken namens Erwachsensein stehen. Dass sie für das Lebensgefühl des ratlosen, aber nicht gedankenlosen Dazwischens dermaßen unverbrauchte Worte findet, zu der dennoch jeder sofort Zugang findet, ist ein Verdienst am Pop, der ihr nicht hoch genug angerechnet werden kann.

Sebastian Alt